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1. Juli 2008 2 01 /07 /Juli /2008 22:25

Es war ein dramatisches und grossartiges Jahr  dieses Jahr Neunzehnhundertsechsundfünfzig. Der Film "Denn sie wissen nicht was sie tun" mit James Dean wurde erstmals in München im Kino gezeigt,  man sah die ersten ausländischen Arbeitskräfte auf unseren Strassen argwöhnisch an und die deutsche Lotterie führte die Zusatzzahl ein. Die DDR gründete ihre Nationale Volksarmee, in Ungarn begann der Volksaufstand was kurz darauf russische Panzer ins Land trieb und Hitler wurde endlich amtlich als tot erklärt. Fidel Castro landete in Kuba um seine Heimat zu befreien, während Borussia Dortmund  bestrebt war zum ersten mal deutscher Meister zu werden und wohl das wichtigste Ereignis dieses Jahres 1956, - ich wurde geboren! -. Ich, der rettende Stern von Vater und Mutter. Beide brauchten ausgerechnet mich um endlich aus dem verhassten Elternhaus ausbrechen zu können.

Es war wohl gegen Ende Juni des Vorjahres als den beiden die Idee kam heimlich gemeinsam in der Umgebung von Bern an der Aare wild zelten zu gehen. Es muss wild hin und her gegangen sein an diesem Wochenende, denn nie sprachen sie darüber wenn ich in späteren Jahren danach fragte, doch beide grinsten zwischen verschämt und unverschämt, wechselten das Thema. Mutter nahm das Geheimnis dieser Nächte mit ins Grab und Vater wird dies wohl auch tun.

Wo und wie haben sich die beiden, gegensätzlicher könnten sie nicht sein, kennengelernt? Was faszinierte sie aneinander? 

Vater, intelligent und besten Aussichten, beschloss irgendwann mal das Gymnasium abzubrechen um zu leben. Da half es nichts, mit mehr als gutchristlichen Werten durch die "Neuapostolische Kirche" aufgewachsen zu sein. Vielleicht gerade deswegen wollte er ausbrechen und zurechtbiegen was vorher durch christlichen Übereifer verbogen wurde. Nun ja, im Gegensatz zu mir ging ihm dies voll in die Hosen. Wie sollte er auch. Aufgewachsen ohne Vater, mit Bruder, Mutter, Cousin und dessen Eltern im gleichen Einfamilienhaus, hatte er Null Ahnung was es heisst eine Familie, Vater zu sein. Von seinem Vater hörte er lediglich, dass er nichts tauge, ein Lebemann, ein Weiberheld sei. Also tat er es ihm gleich, schien ihn zu übertrumpfen und daran änderte sich auch nichts, als er heiratete, Vater wurde. Es änderte sich auch nichts als wenige Jahre später der zweite Sohn und wieder wenige Jahre später der dritte Sohn dazu kamen. Er soff lustig weiter, hatte seine Weibergeschichten, spielte Schlagzeug, lebte sein Leben meist ohne Familie. Nun ist er einsam, seine Heimat ist die Kneipe an der Ecke.

Mutter war da ganz anders. Sie war froh konnte sie überhaupt die obligatorische Schulzeit machen. Wo sie aufwuchs kümmerte man sich nicht besonders um sie. Wir Kinder wissen nicht ob sie nun tatsächlich  Zigeunerin und Findelkind ist oder nicht. Darüber wurde in unserer verlogenen neuapostolischen und kleinbürgerlichen Familie nie gesprochen. Jedoch wurden wir Kinder bei Konflikten immer wieder als "Scheisszigeuner"  beleidigt. Schön ist sie gewesen unsere Mutter, so schön, dass sie für einen James Bond Film als Statistin ausgewählt wurde . Sie verlangte nicht viel vom Leben, versuchte dieses jedoch in vollen Zügen zu leben.  Ansonsten begnügte sie sich als Eisenwarenverkäuferin und Mutter, driftete dabei immer mehr in ein Aschenputteldasein. Ihre grosse Sehnsucht nach Familienharmonie erfüllte sich nie. Sie trieb von Hoffnung zu Hoffnung um am Ende immer wieder zu erkennen, dass sie vom Lebensgefährten nur gebraucht und misshandelt wurde. Leider gab sie sich auf. Fortan war ihre einzige Liebe der Rotwein. Diese Liebe machte sie immer einsamer, krank  und brachte sie schliesslich vor einigen Jahren ins Grab.

Was war es, was diese beiden Menschen aneinanderband? Ich begnüge mich damit, dass sie sich gegenseitig faszinierten. Bis zum Tode meiner Mutter suchten sie sich immer wieder, verstanden sich immer besser, bis sie schliesslich Freunde wurden.

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29. Juni 2008 7 29 /06 /Juni /2008 16:42

Doch Mutter hielt durch! Sie hielt die Arbeit aus, die Schule, die dauernden Erniedrigungen der Familie unserer Grossmutter. Immer öfters hörte sie, dass sie sich etwas zum wohnen suchen solle. Man wollte sie aus dem Hause haben mit der Begründung, dass wir Kinder zu teuer kämen. Doch Mutter gab ihr gesamtes Einkommen zu Hause ab, davon wurde jedoch nur der minimalste Teil ab und zu für uns ausgegeben. Manchmal gabs nicht mal zu essen und Mutter gab uns Zwillingen einen Teil ihrer kärglichen Malzeit, oder besser, der übrig gelassenen Reste der restlichen Familienangehörigen ab. Man dachte nicht an uns, meine Mutter, es sei denn, wenn wieder mal Zeit war um ihr Gehalt einzufordern.

Aber eben, trotz allem, Mutter hielt durch.

Plötzlich gab es in Mutter Veränderungen, sie war fröhlicher und immer öfters warteten ich und mein Bruder nachts vergebens auf sie. Manchmal erwachten wir ab dem Lärm und Geschrei im Haus, wenn Mutter wieder mal rausgeschlossen wurde, wenn sie nachts nicht rechtzeitig zu Hause war. Beim Streit gings immer um einen "gringo" mit dem sie sich anscheinend immer öfters nach der Schule traf und immer öfters immer später nach Hause kam. Mit allen Mittel versuchte man ihr diesen Kontakt auszureden, drohte mit aus dem Hause werfen.

Dies half nichts, Mutter hatte es gepackt! Sie hatte sich scheinbar in einen Ausländer verliebt, welchen sie am Arbeitsplatz kennen lernte. Der "gringo" erschien immer öfters mit seinen Menschen im Projekt wo Mutter arbeitete um diese günstig ärztlich versorgen zu lassen. Er brachte Typen des übelsten Schlages, Existenzen welchen es scheinbar noch dreckiger ging. Es waren Menschen, die am Fluss in selbst gegrabenen Höhlen lebten, ihre Nahrung aus Abfallsäcken zusammen suchten. Menschen die medizinischen Alkohol soffen, ihr erbrochenes wieder aufassen und vor nichts zurück schreckten, zu allem bereit waren. Man sah sie nicht gerne diese Geschöpfe von ganz unten in der Existenzkette wenn sie mit dem "gringo" im Projekt auftauchten. Zu wissen, dass sie zu allem bereit waren verlieh ihnen Macht, niemand wagte irgend etwas zu sagen wenn der "gringo" mit den Typen auftauchte.

Obwohl Mutter mit der Zeit auf irgend eine Weise mehr als Sympathie für diesen "gringo" zu empfinden beging versuchte sie nicht besonders auf ihn zu achten, Mutter spürte wie er sie dauernd versteckt anblickte, ihre Nähe suchte, doch je mehr ihr dies bewusst wurde desto kühler und barscher behandelte sie ihn. Sie wollte einfach keinen Platz für ihn in sich schaffen, sie wollte eine Ausbildung, ihr Abitur und hatte zusätzlich noch zwei Kinder zu versorgen.

Der "gringo" blieb stur wie meine Mutter, er blieb dran und sie blieb barsch. Dabei leuchteten die Augen der beiden auf so eigenartige Weise wenn sie sich begegneten, dass man bereits über die beiden kuschelte und Witze machte.

Es war dann schliesslich Fernando, einer dieser Existenzlosen, welcher zum Durchbruch verhalf. Er erzählte beiden ohne deren wissen, dass der eine gerne mit dem anderen sprechen möchte. Da hatte Mutter die Idee dem "gringo" über Fernando einen Zettel zukommen zu lassen. Die Worte auf dem Zettel waren nichts bewegendes, doch was sie ins Rollen brachten sollte Mutters Welt und auch die meine sowie meines Bruders gewaltig verändern.

So fing die Zeit an, als ich als Baby bemerkte, dass Mutters Brust nachts immer später zur Verfügung stand. Der "gringo" und sie trafen sich jeden zweiten Abend am Rand des Slum in der Diskothek "Torre de Maracaibo". Welch ein Name, doch die Realität war anders. Dunkel war der Laden, gefährlich, dort trafen sich die, welche nicht gesehen werden durften. Wochenende für Wochenende flogen dort Besucher durch die Fenster, gab es Schiessereien. Meist blieben die Toten bis zum anderen Tag liegen, da sich die Polizei bei Nacht nicht dorthin traut.

Der "gringo" meiner Mutter schaffte es trotz Waffe. nur  durch seine Bekanntheit bei den Existenzlosen bis dorthin und zurück. Ihre Freundschaft gab ihm die nötige Sicherheit ohne dass sie dabei sein mussten. Sie sorgten dafür, dass die Jugendbanden und anderen Kriminellen der Zone über den "gringo" Bescheid wussten und mit einem Auge acht auf ihn gaben.

Dies war also die Umgebung, wo es dem "gringo" gelang den Panzer meiner Mutter zu knacken. Doch Gott sei Dank knackte er in dieser Zeit nur den Panzer. Wäre ihm mehr gelungen hätte ihn Mutter wohl nie mehr gesehen. Zwar sah er gebildet und Intelligent aus in seiner Brille dieser "gringo", doch in Wahrheit war er ein Lebemann, hatte sich alle unsere Machomanieren zu eigen gemacht.

Er traf sich nicht nur mit meiner Mutter in der Diskothek um Cola und Rum zu trinken sondern gleichzeitig auch noch mit zwei anderen Frauen und die einzige mit welcher er nicht in irgendeine Diskothek ging war die, mit welcher er lebte. Öfters wenn er zu wenig Cola und zu viel Rum intus hatte nannte er Mutter mal Vicky, mal Raquel, konnte sich jedoch immer so gut herausreden, dass meine Mutter nichts ahnte.

Doch mit diesem Machogehabe oder zumindest mit der Vielweiberei sollte es sprichwörtlich mit einem Schlage aus und vorbei sein.

Es war in einer dieser Nächte wo Mutter und er bei "Salsa brava", einwenig Cola und viel Rum oder Aquardiente tranken, tanzten, harmlose Zärtlichkeiten austauschten und am liebsten für ewig am kleinen, runden, klebrigen Tischchen sitzen geblieben wären. Offenbar machte der Rum den "gringo" heiss und mutig denn plötzlich griff er meiner Mutter unter dem Tisch unters Mini an die Oberschenkel. Mutter sprang auf und klebte ihm eine, und lies den Typen verdattert sitzen. Nicht genug damit, die übrigen Gäste der Diskothek bekamen diese Ohrfeige mit, johlten und klatschen Beifall. In diesem Moment verliebte sich der "gringo"mit Haut und Haaren in meine Mutter. Er suchte sich in den nächsten Tagen eine eigene Wohnung, machte mit den anderen Freundinnen Schluss und konnte nur noch an meine Mutter denken, welche ihn weiterhin leiden lies durch ihre gespielte kühle Unnahbarkeit.

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9. Mai 2008 5 09 /05 /Mai /2008 14:24

 

... "Ich glaube man hat nicht berücksichtigt, wie weit die politische und gesellschaftliche Situation ein vorgegebener Nährboden für die Kultivierung des Drogenhandels geworden ist, in einem großen, glücklosen Land wie Kolumbien, das Jahrhunderte eines Steinzeit-Feudalismus, dreißig Jahre unbefriedeter Kleinkriege und eine ganze Geschichte von Regierungen ohne Volk hinter sich hat ..."
(Gabriel Garcia Marquez in der FAZ v. 08.11.1989)


Die Welt schickt sich an, eines der perversesten Feste zu feiern - die Fünfhundertjahrfeier der Entdeckung Amerikas. Als Kolumbus sich in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober 1492 entschloss, den Kurs nicht zu ändern, sondern den Papageienschwärmen nach Südwesten zu folgen, hatte der Mann wohl keine Ahnung, daß mit seiner Entdeckung der "Neuen Welt" eines der größten Verbrechen an der Menschheit seinen Anfang nahm. Als Kolumbus den neuen Boden betrat, lebten 70 Millionen Menschen der verschiedensten Kulturen auf diesem Kontinent. Hundertfünfzig Jahre später waren es nur noch 3,5 Millionen.

An dieser lebensvernichtenden Situation hat sich bis heute nichts geändert. Neben den Eingeborenen sind es heute die Kleinbauern und Randgruppen der Gesellschaft, die im Wege stehen. Falls sie Land besitzen und ihre Rechte fordern, werden paramilitärische Gruppen auf sie angesetzt, die die Interessen der Großgrundbesitzer durchsetzen. Diese halten auf dem blutig erworbenen Boden Rinder für das Schnellimbißfutter der Europäer und Gringos, oder bauen Soja für den Export als Viehfutter in Europas Ställen an. Zur gleichen Zeit leidet die Mehrheit der Bevölkerung im eigenen Lande an Unterernährung und viele verhungern. Dies gehört in der Großstadt zum Alltag.

Die Verbrechen gehen weiter, nur trägt die Schuld nicht mehr nur die heilige Kirche, sondern auch die wirtschaftliche und moralische Skrupellosigkeit einiger eingewanderter Familien und der Mächtigen der Welt. Die Methoden sind subtiler geworden, die Ergebnisse sind die gleichen geblieben: Ausplünderung, Verarmung, Hunger, Verzweiflung, Tod. Die Welt beginnt fröhlich die Entdeckung Amerikas zu feiern, sie feiert auf dem Trümmerfeld, das die Konquistadoren hinterlassen haben. Gegenstimmen gibt es kaum. Wenn doch, dann werden ihre Urheber dort als unverbesserliche Spinner belächelt. Hier werden sie eingeschüchtert, und wenn das nichts hilft umgebracht. Die schon fünfhundert Jahre andauernde Zerstörung der bodenständigen Kulturen und die Verweigerung jeglicher Bildung tragen traurige Früchte: Alkoholismus als Volksepidemie und überbordende Gewalt sind nur die auffälligsten Zeichen dafür. Daran wird sich auch zukünftig kaum etwas ändern, ein ungebildetes Volk läßt sich leichter in Knechtschaft halten und ausplündern. Die Unbildung der Bevölkerung, die keine Ahnung von ihren Rechten hat, garantiert der industrialisierten Welt weiterhin den sorglosen Umgang mit den natürlichen Ressourcen und den Genuß billiger Leckerbissen in Form von Ananas, Kaffee, "Badeurlaubkultursafariesalsareisen" und so weiter. Daß die Schattenseite der Drogenanbau und Handel sind, gesteht man sich als wohlhabender Europäer nicht ein. Im Gegenteil, man sucht einen Schuldigen, und weltweit hat man sich auf das von allen Seiten gebeutelte Kolumbien eingeschossen. Haben Sie jedoch gewußt, daß von jeder erwirtschafteten Drogen-DM ganze 25 Pfennig in eine kolumbianische Tasche fließen, und daß das Hauptgeschäft Bankiers, Politiker, usw. anderer Nationen machen?

Wie würde wohl Familie "Bundesbürger" handeln, wenn sie durch die Kultivierung von Bananen, Ananas, Kaffee und so weiter zu wenig zum Überleben verdienen würde? Auch sie würde mit Sicherheit den Anbau von Kokain und Marihuana der Prostitution ihrer Kinder vorziehen. Glücklich, wer diese Alternative überhaupt hat, befinden sich doch 65 Prozent des bebauten Landes in den Händen von nur 4 Prozent Großgrundbesitzern, während sich die Massen der Campesinos mit den restlichen 35 Prozent begnügen müssen.

Wer fragt weiter nach den Folgen, die der Drogenanbau für dieses Land selbst hat? Vor allem im städtischen Bereich sieht sich Kolumbien mit einem raschen Anstieg des Kokainverbrauchs konfrontiert. Insbesondere in den Armenvierteln gibt es Hunderttausende von Jugendliche, die regelmäßig mit Tabak vermischte Kokapaste (Basuco) rauchen, eine aufgrund der hochgiftigen Verunreinigungen des Kokainzwischenprodukts höchst gesundheitsschädigende Praxis (laut Shannon -1988- gab es Mitte der 80er Jahre in Kolumbien rund 600 000 Basuco-Raucher).

Der größte Teil der Menschheit lebt unter menschenunwürdigen Bedingungen in der sogenannten dritten Welt. Wann beginnt man diese Mehrheit als gleichwertiger Partner zu behandeln, statt sie mit erbärmlichen Almosen abzuspeisen, wie es zum Beispiel die Schweiz getan hat, als sie die 700-Jahre-Schweiz-Feierlichkeiten zum Anlaß nahm, um 700 Milliönchen an die dritte Welt zu verschenken (ich schäme mich Schweizer zu sein).

Wir stehen längst über dem Abgrund und mit dem Rücken zur Zukunft, und ich fürchte, es wird schlimmer. Der Kommunismus ist gescheitert, die übermächtige EG bekommt eine Monopolstellung, der Kapitalismus tanzt weiter fröhlich Richtung Steinzeit. Wer es zuerst bezahlt, das ist die dritte Welt.

Es wäre an der Zeit, daß man in der industrialisierten Welt an Wiedergutmachung zu denken beginnt, auch wenn es kaum etwas wieder gut zu machen gibt. Immerhin, man könnte Schlimmeres verhüten, Aufbau statt Ausbeutung betreiben. Die imaginären Linien, die man Grenzen nennt, haben keine Zukunft. Alle brauchen wir einander. Wie sähe es heute wohl in Mitteleuropa aus, wenn es nicht durch fremdes Kulturgut bereichert worden wäre? Erbärmlich, daß man nun gerade Menschen dieser Kulturen zu hassen beginnt, daß sich Politiker zu Sprüchen wie: "Heute schenken wir ihnen ein Fahrrad, morgen rauben sie uns unsere Töchter" herablassen. Erinnern wir uns an Vergangenes. Ich bin sicher, es kann Achtung für die Kulturen entstehen, die jetzt Europa brauchen wie Europa sie gebraucht hat und auch weiterhin braucht.


© Willi Tell 1995 (2.Überarbeitung)

 

 

 

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8. Mai 2008 4 08 /05 /Mai /2008 14:05

Es war Mitte der 70er Jahre und ich wurde gerade zwanzig als es mich voll erwischte. Irgendwo ausserhalb von Bern, in einem kleinen Nest wo mehr Kühe als Menschen lebten, hatte ich endlich meine erste Freundin mit der ich ins Bett ging.Für  beide war es das erste mal und wir stellten uns sehr linkisch an. Jedenfalls wars nicht so wie man es sich immer vorgestellt hatte. Egal, Hauptsache man war jetzt erwachsen, mit der Zeit lief es eh immer besser. 

Dies war eine komische Zeit für mich. Voll in einer Ausbildung die ich nicht wollte, stand ich dauernd am Rande einer Depression. Ich wäre gerne weiterhin zur Schule gegangen, hätte gerne das 12. Schuljahr gemacht, das Abitur und dann etwas mit Kunst oder Philosophie studiert. Doch zu Hause hiess es immer nur: Studieren ist für Reiche und Faule, unsere Familie arbeitet! Was blieb mir da anderes übrig als die 2 Jahre in einem Büro abzusitzen, Buchhaltung zu lernen, Briefe zu tippen, Dokumente abzulegen und jede halbe Stunde auf die Uhr zu schauen ob schon bald Feierabend ist?

Kaum war ich mit der Ausbildung fertig zog ich nach Bern, fand eine billige Einzimmerwohnung nah an den Gleisen des Güterbahnhofs, verlobte mich mit meiner ersten grossen Liebe und fand die Welt in Ordnung. Denn mittlerweile war es für mich der Normalzustand von Montag bis Freitag in einem Büro zu sitzen, irgendwelche Arbeiten zu erledigen und gequält auf den Freitag zu warten.

Tja und dann passierte es. Meine Verlobte war schon einige Zeit in der italienischen Schweiz in einem Praktikum, als sie sich dort in einen Einheimischen verliebte. Für mich brach eine Welt zusammen, wollte nicht mehr leben und zog mich vom Leben zurück. Wie konnte ich die Frau zurückgewinnen, welche mittlerweile wieder in Bern lebte?

Da hatte ich eine Idee. Für eine Menge Geld kaufte ich Klebebuchstaben und Trauerkarten. Ich sass stundenlang davor und produzierte eine Einladung zur Trauerfeier meiner eigenen Beerdigung, versah diese mit der Anschrift meiner Ex Verlobten und ab auf die Post gings damit. Ich packte meine Kamera und den Pass in eine Plastiktüte und machte Autostop Richtung Lausanne. Ich wollte nicht zu erreichen sein, wenn meine Ex diese selbstgebastelte Einladung bekam, erhoffte mir dadurch eine geballte Wirkung.

Damals gabs noch keine Autobahn nach Lausanne und ich musste nicht lange warten bis ein Merzedes anhielt in dessen inneren 4 hübsche Studentinnen aus München sassen und auf dessen Anhänger ein Segelboot vertäut war. Wir verstanden uns prächtig und bald merkte ich, wie die blonde Christina neben mir Interesse an mir bekam. Dauernd beobachtete sie mich und wenn wir anhielten war sie immer in meiner Nähe. Bald war meine Ex vergessen und der Besuch bei einer Freundin in Lausanne, um in ihrer Einrichtung vielleicht ein soziales Praktikum zu machen erst recht. Junge, schlug mein Herz wenn mich Christina ansprach. Nicht mal die Ex brachte es so ins rasen.

Als sie mich kurz vor Lausanne fragten wo ich hin muss fragte ich zurück wo es den hinginge. Christina sagte mir, dass sie nach Marseille segeln fuhren, da sei eine Regatta wo sie teilnehmen möchten. Ich meinte dann, mir sei es eigentlich egal wohin, und Marseille würde ich noch nicht kennen. So wurde aus einem zweitägigen Besuch in Lausanne ein zweiwöchiger Ferientrip nach Marseille ohne Geld, nur mit der Kamera in der Plastiktüte.

Die Fahrt nach Marseille war kurzweilig vor allem wegen Christina, diese schmiegte sich immer mehr an mich, liess mich ihre spitzen, harten Brüste fühlen. Die Dauererrektion verursachte solche Schmerzen, dass ich kaum mehr gehen konnte als wir auf dem Campingplatz ankamen. Es war selbstverständlich, dass ich bei Christina im Schlafsack mitschlafen durfte. Denn es war erst Ende März und es war immer noch sehr kühl am Mittelmeer. 

Und in diesem Schlafsack erlebte ich Himmel und Hölle. Bisher kannte ich nur die Missionarsstellung, mehr nicht. Was Christina da Nacht für Nacht mit mir anstellte war einfach unglaublich, lies mich meine Ex Verlobte, den Liebeskummer, dass ich eigentlich arbeiten sollte, einfach vergessen.

Es war ein Tag vor der Rückfahrt, als es mir in den Sinn kam eine Ansichtskarte nach Hause zu schicken um meine Familie zu informieren wo ich war. Dachte kaum mehr an die miese Aktion der Einladung zu meiner eigenen Beerdigung an die Ex Verlobte, geschweige denn was dies alles ins Rollen brachte. Auf jeden Fall war ich um einige Tage früher wieder in Bern als die Ansichtskarte bei meiner Familie. Was mich dabei einwenig beunruhigte war eine Vermisstmeldung welche im Autoradio zwischen Murten und Bern ausgestrahlt wurde. Denn es wurde einer gesucht welcher genau den gleichen Namen wie ich hatte, auf die Idee, dass wirklich ich damit gemeint war, wollte ich nicht kommen.

Die zwei Wochen im Schlafsack bei Christina waren die beste Therapie für mich. Voller Elan, Lebensfreude und Selbstbewusstsein verabschiedete ich mich von Christina und ihren Freundinnen und wollte in meine kleine, enge Einzimmerwohnung hinter dem Güterbahnhof.

Ich wollte... da stand ich vor einer Wohnungstüre welche polizeilich versiegelt und  zwischenzeitlich das Schloss ausgewechselt wurde. An der Türe klebte ein Zettel, dass ich mich bei der Polizei, bzw. bei der Hausverwaltung zu melden hätte, sollte ich zurückkehren. Ich tat keines von beiden sondern fuhr aufs Land zu meiner Familie.

Als erstes erwischte mich da eine gewalltige Ohrfeige! Als man sich langsam beruhigt hatte bekam ich die Einzelheiten mit, welche mich zwischenzeitlich zum lachen brachten.

Als am Tag meiner Beerdigung meine Ex Verlobte im Trauerkleid und weissen Rosen einsam um die angegebene Zeit vor der Kirche auf meine Trauerfeier wartete und sich nichts tat, wurde sie aktiv, zu aktiv. Sie telefonierte meine gesamte Verwandtschaft zusammen, am Ende hiess es, dass ich mich sehr wahrscheinlich umgebracht hätte und ich wurde als Vermisst ausgeschrieben. Mich kümmerte dies indes nicht gross, war immer noch  berauscht von den Besuchen in Christinas Schlafsack.

Ich hatte nun ein anderes Problem, meine Ex Verlobte welche ich mittlerweile als langweilig empfand wollte mit aller Gewalt zu mir zurück. So schnell es ging fing ich mit meinem sozialen Praktikum in der Nähe von Lausanne an und meine Ex und ich vergassen uns langsam. Christina und ich vergassen uns jahrelang nicht, immer wieder besuchte der eine den anderen und die Zeit im Schlafsack auf einem der Campingplätze vor Marseille schien sich zu wiederholen.

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8. Mai 2008 4 08 /05 /Mai /2008 10:04

Vor 23 Jahren wurde ich in einem Armenviertel "Tumacos" geboren. Wir leben ein wenig besser, als die Menschen, die nur einige Meter weiter ihre Häuser auf Pfählen ins Meer bauten. Bis heute haben wir jedoch kein fließend Wasser und kein Klo. Das Wasser ist viel zu teuer, so graben wir uns im Viertel abwechselnd vor den Häusern etwa 2 Meter tiefe Löcher, um so an die Wasserleitungen der Stadt zu kommen. Natürlich weiß dies die "Wasserversorgung" der Stadt, die trauen sich jedoch nicht ins Viertel rein, die könnten eh nichts machen, die Leitungen sind nun mal verlegt.

 

Das Löcher graben und Wasser schleppen ist hauptsächlich Sache der Kinder und Jugendlichen. Bis z.B. bei uns zu Hause das Petroleumfass, hinterm Haus voll ist, vergehen einige Stunden und meist muss es täglich zweimal aufgefüllt werden. Sich duschen, abwaschen, das Saubermachen und kochen für mindestens 6 Personen täglich braucht trotz aller Sparsamkeit sehr viel Wasser. So ist also dieses Petroleumfass unsere Wasserreserve und gleichzeitig Dusche, indem wir uns daneben stellen  und aus einem Plastikeimer Wasser über uns schütten.

 

Strom haben wir im Viertel seit langer Zeit, doch es vergeht kaum ein Tag wo es nicht im ganzen Viertel über Stunden einfach gesperrt wird, wir haben uns daran gewöhnt, dass wir abends zwischen ca. 20 Uhr und 22 Uhr nie Strom haben. Muss die Stadt Strom sparen, dann macht sie dies auf unsere Kosten und schaltet einfach die Leitungen ab, während in den Fabriken der Reichen und Ausländer und ihren Wohnvierteln die Energie verschwendet wird. Dies war immer so und nicht erst seit der landesweiten Rationalisierung der Energie.

 

In der hintersten Ecke unseres kleinen Grundstückes haben wir uns eine tiefe, große Grube gebaut die als Klo dient und alle paar Jahre ausgepumpt wird. Damit man ein wenig Sichtschutz hat, haben wir sie mit Wellblech eingefasst und gegen den Geruch ist ein schwerer Blechdeckel zum Abdecken auf dem Loch. Unangenehm ist es nur wenn es stark regnet, denn da ist unser Grundstück, welches wie der größte Teil unserer Vierteln auf Meersand ist, ein einziger Matsch.

 

In den letzten 10 Jahren haben wir nach und nach alle Holzaußenwände des Hauses durch Beton oder Ziegelsteine ersetzt, so dass wir jetzt ein recht angenehmes Zuhause haben. Als nächstes bauen wir uns ein richtiges Klo, die Grube dazu haben wir bereits ausbetoniert.

 

Wie die meisten Männer hat auch unser Vater sehr viel getrunken und sich zuerst mal Alkohol gekauft und erst danach was zum essen für uns. Als er sich zu Tode gesoffen hatte, ging unsere Mutter nach Cali Arbeit suchen. In Tumaco gibt es viel zu wenig Arbeit, und wenn, dann ist sie schlecht bezahlt.

 

Da die Mutter nicht wusste wie und wo sie Arbeit finden würde in dieser Großstadt, ließ sie uns Kinder in Tumaco zurück, unsere Tanten haben uns hauptsächlich erzogen. Die Mutter konnte uns nicht nach Cali nachkommen lassen, weil sie mit ihrer kranken und alten Mutter mehr als genug zu tun hatte und ihr Einkommen nicht auch noch dafür ausreichte uns Kinder durchzufüttern und die Schule zu bezahlen.

 

Cali ist zwar eine Industriestadt, doch die Hoffnungen unserer Mutter erfüllten sich nicht in dem Maße wie sie es sich erträumte. Sicher, sie hat nun ihr geregeltes Einkommen, ihren festen Arbeitsplatz, doch statt in den Slums in Tumaco, lebt sie nun in den Slums von Cali, und die sind nicht viel anders, in Cali hat man es jedoch leichter um Arbeit zu finden.

 

In "Tumaco" ist alles ein bisschen schwieriger, so dass ich nur eine sehr minimale Schulbildung hatte und schon sehr früh mitarbeiten musste. Zum Glück ist eine meiner Tanten Lehrerin und ich konnte nebenbei viel lernen wenn meine Tante Zeit hatte.

 

Ich arbeitete den ganzen Tag wie eine Verrückte in einer Fischfabrik. Ich putzte, schälte, verpackte das Zeugs, das hauptsächlich exportiert wurde. Verrückt, da stehe ich mit Hunger im Bauch an meinem Arbeitsplatz und verpacke Meeresfrüchte, Thunfisch etc. für das Ausland. Wie meist üblich in Tumaco, ist der Besitzer dieser Fabrik ein "gringo" der irgendwo in den Staaten lebt, der sich durch unsere Plackerei eine goldene Nase verdient und sein Oberaufseher ist natürlich auch ein Weißer, ein ganz schlimmer, der machte mit uns Mädchen und Frauen was er wollte, wir waren für ihn der letzte Dreck.

 

Die Arbeitsbedingungen waren sehr schlimm, doch was willst Du machen, wenn vor der Türe Hunderte auf Deinen Arbeitslatz warten und den du mit Sicherheit verlierst, wenn du nur’s Maul aufmachst? Wir arbeiteten Täglich von 6 Uhr morgens bis 16 Uhr nachmittags 10 Stunden ohne Pause, ohne essen und verdienten je nach Akkordleistung wöchentlich höchsten um die 7000.- col$ bis 10 000.- col$! Ein Gehalt, womit Du unmöglich leben kannst, doch wir arbeiten dafür, denn lieber schlecht bezahlte Arbeit als nur herumsitzen und nichts zu tun haben. Dieses "keine Arbeit" haben ist schlimm, ist schlimmer als schlecht bezahlte Arbeit haben, denn dies macht Dich im Laufe der Jahre aggressiv und deprimiert. Aus diesem Grunde wird so viel gesoffen und Rauschgift konsumiert. Viele der Frauen und Mädchen die unter solchen schlechten Bedingungen arbeiten müssen, gehen nebenbei der Prostitution nach, damit ihre Familien überleben können und natürlich macht auch dies aggressiv und die Scham darüber wird mit Alkohol und Basuco verdeckt.

 

Als ich vor 3 Jahren schwanger wurde, stellte sich heraus, dass der Mann in den ich verliebt war nur mit mir gespielt hatte, wohl weil ich noch so jung war. Er war bereits verheiratet und hatte Kinder. Ich war wohl nicht das erste und letzte junge Mädchen, welches dieser Tankstellenbesitzer hinterging.

 

Um dieses bittere Erlebnis besser überwinden zu können und weil es für mich klar war, dass mich in "Tumaco" nur eine schwierige Zukunft mit noch mehr Hunger erwarten würde, wenn mein Kind erst mal geboren war, ging ich zu meiner Mutter nach Cali, die mit ihrem neuen Lebensgefährten im "Distrito Aguablanca" lebt und erhoffte mir, da bessere Bedingungen vorzufinden.

 

Die Zeit wurde recht hart, ich bekam Zwillinge und lebte mit meiner Mutter, meiner jüngeren Schwester und zwei älteren Brüdern von dem kleinen Gehalt was die Mutter nach Hause brachte und was wir anderen Familienmitglieder so ab und zu dazu verdienen konnten. Der Lebensgefährte meiner Mutter arbeitet nichts, führt sich auf, als wäre er der große Herr. Meine Mutter gibt ihm immer Geld und auch von uns versucht er immer etwas zu bekommen. Der hat sich sogar erlaubt, mal an meinem  Arbeitsplatz vorbeizugehen und zu fragen ob sie mir das Gehalt schon ausgezahlt haben.

 

Ich fand Arbeit als "Arztgehilfin" in einem Projekt eines deutschen Padres ebenfalls im "Distrito". Doch von den ärmlichen 40 000.- col$ monatlich, die ich dort als "Angelernte" bei 5 Tagen Arbeit die Woche verdiene, kann man auch keine großen Sprünge machen, d.h., eigentlich kann ich davon gar nicht leben. Während ich über Weihnachten, erstmals wieder nach drei Jahren, meine restliche Familie in Tumaco besuchen ging, hat der Padre mich und sieben andere Mädchen entlassen. Nun suche ich eine Arbeit, die besser bezahlt ist und wo ich genügend Zeit für die Schule habe, ich möchte auch gerne wieder meine beiden Söhne bei mir haben.

 

Da ich abends nach der Arbeit das "Bachillerato" nachmache, musste ich bereits vor längerer Zeit einen meiner Söhne zurück zu meinen Tanten nach Tumaco geben und nun ist seit Weihnachten auch mein zweiter Sohn dort. Ich schaffe es einfach nicht, morgens um 5 Uhr aufzustehen, alles für die Kinder zu richten, diese in den Hort zu bringen, dann bis 6 Uhr abends arbeiten und danach ohne Pause gleich in die Schule bis 9.30 Uhr abends. Ich hatte nicht selten einen 16 Std. Tag und habe dies einfach nicht mehr durchhalten können.

 

Mein "Bachillerato" ist mir jedoch sehr wichtig, ich will etwas ordentliches studieren, ich bin ja erst 23 Jahre alt. Was ich studieren möchte weiß ich noch nicht genau, etwas, wo ich den Menschen helfen kann, etwas Soziales. Doch ob dies klappt steht noch nicht fest, denn die Universität kostet gemessen an unseren Lebensbedingungen, viel zu viel Geld und ich weiß nicht, ob meine Familie hier in Cali und in Tumaco dies wird finanzieren können.

 

Ich möchte nie so leben müssen wie einige meiner Freundinnen. "Vicky" z.B. lebt nun im Zentrum an der Cra. 10, da, wo gleich die "olla" anfängt. Sie hatte Glück und kann umsonst in der Wohnung eines älteren Herrn leben, sie muss dann einfach ab und zu mit ihm schlafen und hat ansonsten ihren Freiraum. Früher war sie jahrelang bei irgendeiner älteren Frau Dienstmädchen und die hat sie behandelt wie der letzte Dreck, hat einfach ihre schlechte Laune an "Vicky" ausgelebt. Kam sie mal unverschuldet zu spät, wurde sie klein gemacht und musste ohne Bezahlung wieder gehen. Ein Tag ohne bezahlte Arbeit bedeutet bei diesen Hungerlöhnen ein Tag ohne was zu essen. Als die Alte sie dann des Diebstahls bezichtigte, weil sie in ihrem Durcheinander etwas nicht finden konnte, hatte meine Freundin genug und ging. Nun schlägt sie sich mit Gelegenheitsarbeiten rum wie nähen, Pedicure etc. und am Wochenende ist sie als Tänzerin bei einem "Salsa-Orchester" engagiert. "Vicky" ist eine sehr schöne Frau und so hat sie keine Mühe, dass Männer sie abends zum Essen oder in die Diskothek ausführen. Doch da auch sie "schwarz" ist, ist sie für die "weißen" Männer vorwiegend nur Lustobjekt.

 

Viele von uns Armen verlassen, außer zur Arbeit, fast nie den  "Distrito" und das Zentrum der Stadt ist für uns etwas Fremdes, weit entferntes. Mit unseren Gehältern könnten wir niemals in den Geschäften des Zentrums etwas zum anziehen kaufen, oder uns in ein Lokal setzen um eine Cola zu trinken, ein Eis essen gehen wovon zwei Kugeln bereits 1 000.- col$ kosten. Im Zentrum, da ist alles so ganz anders, da gibt es so viel Luxus, dass es nur schwer vorstellbar ist, dass bei und draußen so viel Armut und Elend herrscht.

 

Doch ich fühle mich wohler und freier bei uns draußen, ein Großteil der Leute im Zentrum, elegant angezogen, und die uns verachtend angucken erinnern mich an ein Lied von Ruben Blades, es heißt "Plastico", ich singe es Dir "mono":

 

Ella era una chica plastica / De esas que veo por ahi,

De esas que cuando se agitan / Sudan Chanel "number three".

Que sueña casarse con un doctor / Pues el puede mantenerlas mejor.

No le hablan an nadie si no es su igual, / A menos que sea fulano de tal.

Son lindas, delgadas, de buen vestir, / De mirada esquiva y falso reir.

 

El era un muchacho plastico / De esos que veo por ahi,

Con la peinilla en la mano / Y cara de yo no fui.

De los que por tema en conversacion / Discuten que marca de carro es mejor.

De los pue prefieren el no comer / Por las apariencias que hay aue tener

Pa andar elegantes y asi poder... / Una chica plastica recoger. !Que fallo!

 

Era una pareja plastica / De esas que veo por ahi.

El pensando solo en dinero, / Ella en la moda en Paris.

Aparentando lo que no son, / Viviendo en un mundo de pura ilusion.

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8. Mai 2008 4 08 /05 /Mai /2008 09:53

 

Nacht, eine quälende Nacht wo die Minuten, Sekunden, gehemmt durch erschreckende Gedanken und Erinnerungen an Blut, Gewalt, Elend und Tod Richtung Morgengrauen kriechen. Ob diese Tropfmaschine der Zeitmessung weiterhin so ruhig und zielgerichtet das Gegenwärtige in Vergangenes und somit unwichtiges zerstampfen könnte, hätte sie Gefühle, könnte sie sehen? Gott sei Dank rast dieses Ungetüm der Zeitmessung unaufhörlich brutal die schönsten Augenblicke zerstörend, gnädig das elend vergangen werdend und Hoffnung spendend auf das Morgen, ihrem unendlich weit entfernten Ziele zu, welches sie doch nie erreichen wird. 

 Zu Tausenden leben sie diese Hoffnung des unerreichbaren Morgen, in den Slums, in den Schlafhöhlen am Fluss, in irgendwelchen Nischen der "olla". Hoffend im "Basuco" Rausch die Nacht zu überleben, am Morgen endlich Arbeit zu finden, den vor Hunger schmerzenden Magen sättigen zu können, die Kinder - statt mit "Basuco" zu betäuben - damit sie den nagenden Hunger nicht spüren - mit ein wenig Reis, "papas" oder "jucas" zu füttern.

 

Doch die Zeit rast weiter, läßt jede Nacht hingerichtete "desechables", "Basucoraucher", Schwule, Huren, Jugendliche und andere Subversive, vergewaltigte Mädchen, verhungernde Kinder, aus Scham sich zu tode saufende Väter, durch erlebtes an der Grenze zur Verrücktheit stehende Mütter hinter sich, die Tausende von Nächten, in Angst und Schrecken und immer weniger Hoffnung auf ein neues, ein anderes, DAS MORGEN hoffen.


Cali, 28 de agosto de 1994

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7. Mai 2008 3 07 /05 /Mai /2008 23:19

Jahresbericht 2007

Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2006

KOLUMBIEN

Amtliche Bezeichnung: Republik Kolumbien

Staats- und Regierungschef: Alvaro Uribe Vélez

Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft

Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: ratifiziert

Vor allem in den ländlichen Gebieten Kolumbiens bewegten sich im Berichtsjahr schwere Menschenrechtsverstöße weiterhin auf einem kritischen Niveau, wenn auch die Anzahl bestimmter Gewalttaten wie etwa Entführungen und Tötungen, die im Kontext des jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts standen, weiter zurückging. Alle Konfliktparteien – auf der einen Seite die Sicherheitskräfte und von der Armee unterstützte Paramilitärs und auf der anderen Seite Guerillagruppen, vornehmlich die Revolutionären Streitkräfte von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC) und die kleinere Gruppierung Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional – ELN) – begingen unvermindert Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Sie trugen außerdem die Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Zahl der Menschen, die im Berichtszeitraum im Zuge des bewaffneten Konflikts aus ihren Heimatorten vertrieben wurden oder fliehen mussten, lag zwar unter den Vorjahreszahlen, insgesamt aber gab die Situation der Binnenvertriebenen nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Die weiterhin auf Gewerkschafter und Menschenrechtsverteidiger verübten Angriffe wurden vor allem paramilitärischen Gruppierungen angelastet. Überdies erreichten amnesty international nach wie vor Meldungen über von Sicherheitskräften begangene extralegale Hinrichtungen und gezielte Morde an Zivilisten sowie Entführungen durch Guerillaeinheiten.

Hintergrundinformationen

Der parteilose Staatspräsident Alvaro Uribe Vélez wurde im Mai für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Bei den Kongresswahlen im März konnten Uribe nahestehende Parteien die Mehrzahl der Sitze in beiden Kammern des Parlaments auf sich vereinigen.

Spekulationen, denen zufolge die Verhandlungen zwischen der Regierung und der FARC über einen Gefangenenaustausch kurz vor dem Durchbruch stünden, bewahrheiteten sich nicht, nachdem Präsident Uribe der FARC vorgeworfen hatte, am 19. Oktober in der Militärhochschule Nueva Granada in Bogotá einen Sprengstoffanschlag verübt zu haben, bei dem mindestens 20 Personen verletzt wurden. Die ELN und Vertreter der Regierung trafen im Oktober in Kuba zum vierten Mal zu Sondierungsgesprächen zusammen. Wie aus Regierungskreisen verlautete, hatten bis Ende des Jahres mehr als 30000 Paramilitärs ihre Waffen im Rahmen eines von der Regierung geförderten Demobilisierungsprozesses niedergelegt. Dieser Prozess löste in weiten Kreisen immer wieder Kontroversen aus. Im Juli erklärte das Verfassungsgericht entscheidende Paragraphen des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden, welches den rechtlichen Rahmen für die Demobilisierung paramilitärischer Gruppierungen schaffen sollte und von Menschenrechtsorganisationen kritisiert worden war, für verfassungswidrig. Im September setzte die Regierung dessen ungeachtet das Gesetz per Erlass in Kraft. Aufgrund der vom Verfassungsgericht geäußerten Kritik an dem Gesetzeswerk waren zwar einige Änderungen vorgenommen worden, dennoch blieben Bedenken bestehen, die Bestimmungen könnten das Problem der Straflosigkeit weiter verschärfen und den Opfern ihr Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung vorenthalten. Trotz der angeblich fortschreitenden Demobilisierung deuteten starke Indizien darauf hin, dass paramilitärische Truppen weiterhin mit stillschweigender Duldung oder gar mit Unterstützung der Sicherheitskräfte operierten und Menschenrechtsverletzungen begingen. Im November wurden drei Parlamentsabgeordnete wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Paramilitärs festgenommen. Gegen weitere Abgeordnete und Politiker waren Ende des Jahres offenbar Ermittlungen des Obersten Gerichtshofs anhängig.

Verstöße paramilitärischer Gruppen trotz vermeintlicher Demobilisierung

Die von der Organisation Amerikanischer Staaten (Organization of American States – OAS) nach Kolumbien entsandte Mission zur Unterstützung des Friedensprozesses veröffentlichte im August einen Bericht. Darin hieß es, einige der demobilisierten Paramilitärs hätten sich zu kriminellen Banden zusammengeschlossen, andere entzögen sich der Demobilisierung. Überdies seien neue paramilitärische Einheiten entstanden. Nach wie vor begingen paramilitärische Gruppierungen in Gebieten Menschenrechtsverletzungen, in denen ihre Demobilisierung angeblich abgeschlossen war. Seit ihrer Waffenstillstandserklärung im Jahr 2002 sollen paramilitärische Gruppierungen für über 3000 Tötungen und Fälle von »Verschwindenlassen« verantwortlich gewesen sein.

Nach vorliegenden Informationen töteten Paramilitärs der Gruppierung Bloque Noroccidente am 11. Februar sechs Kleinbauern im Verwaltungsbezirk Sabanalarga des Departements Antioquia.

Anwendung des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden

Mit Dekret Nr. 3391 setzte die Regierung einige in die Kritik geratenene Teilbereiche des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden wieder in Kraft. Besonders umstritten war die Aufnahme »landwirtschaftlicher Integrationsprogramme«, in denen Kleinbauern, Binnenvertriebene und demobilisierte Paramilitärs in regierungsfinanzierten Agrarprojekten zusammengebracht werden sollen. Dies könnte bedeuten, dass Kleinbauern und Binnenvertriebene mit eben jenen Personen zusammenarbeiten sollen, die sie von ihrem Land vertrieben und Menschenrechtsverletzungen an ihnen verübt haben. Letztlich könnten diese Programme auch eine Legalisierung der Besitzverhältnisse über Land festschreiben, das sich die Paramilitärs gewaltsam angeeignet hatten. Das Dekret enthielt zudem keine Maßnahmen zur Identifizierung und strafrechtlichen Verfolgung Dritter, darunter Angehörige der Sicherheitskräfte und Politiker, die paramilitärische Gruppierungen sowohl logistisch als auch finanziell unterstützt haben.

Das Gesetz über Gerechtigkeit und Frieden blieb auch in der überarbeiteten Version hinter internationalen Standards für Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung zurück und sollte lediglich auf rund 2600 der mehr als 30000 vermeintlich demobilisierten Paramilitärs angewendet werden. Die überwiegende Zahl der demobilisierten Paramilitärs hatte von einer De-facto-Amnestie im Rahmen des Erlasses 128 aus dem Jahr 2003 profitiert. Im Dezember erklärten die paramilitärischen Gruppen ihren Rückzug aus dem »Friedensprozess«. Diese Bekanntmachung folgte auf eine Entscheidung der Regierung vom 1. Dezember, 59 vermeintlich demobilisierte führende Paramilitärs aus dem Gewahrsam in einer ehemaligen Ferienanlage in La Ceja im Departement Antioquia in das Hochsicherheitsgefängnis von Itagüí im selben Departement zu verlegen. Als Begründung für diese Entscheidung gab die Regierung an, die Paramilitärs hätten von La Ceja aus mehrere Morde in Auftrag gegeben.

Am 19. Dezember sagte Salvatore Mancuso als erster hochrangiger Paramilitär vor dem Gremium für Frieden und Gerechtigkeit der Generalstaatsanwaltschaft aus. Diese Stelle war auf der Grundlage des Gesetzes für Gerechtigkeit und Frieden eingerichtet worden, um Menschenrechtsverstöße jener Personen zu untersuchen, die unter anderem durch Aussagen über ihre Taten von den im Rahmen des Gesetzes in Aussicht gestellten Strafminderungen und anderen Vergünstigungen profitieren wollten.

Verbindungen zwischen Paramilitärs und Behördenvertretern

Berichte über enge Verbindungen zwischen Paramilitärs und hochrangigen Behördenvertretern lösten Empörung aus und drohten, das Vertrauen in rechtsstaatliche Strukturen weiter zu erschüttern.

Im November legte die Bundesdisziplinarbehörde dem ehemaligen Leiter des Geheimdienstes Departamento Administración de Seguridad (DAS) zur Last, Verbindungen zu paramilitärischen Einheiten zu unterhalten. Diese Vorwürfe stützten sich auf Medienberichte vom April, in denen ein anderer DAS-Mitarbeiter erklärt hatte, der DAS habe eine Liste mit 24 Namen führender Gewerkschafter an die paramilitärische Gruppierung Bloque Norte weitergeleitet. Mehrere auf der Liste genannte Personen fielen im Berichtsjahr Mordanschlägen zum Opfer, andere wurden bedroht oder sahen sich willkürlichen strafrechtlichen Verfahren ausgesetzt.

Am 9. November stellte der Oberste Gerichtshof des Landes Haftbefehle gegen drei Kongressabgeordnete aus dem Departement Sucre – Alvaro García Romero, Jairo Merlano und Erik Morris Taboada – aus, weil ihnen Verbindungen zu paramilitärischen Einheiten zur Last gelegt wurden. Gegen Alvaro García Romero erhoben die Behörden zudem den Vorwurf, im Jahr 2000 ein Massaker von Paramilitärs an 15 Kleinbauern in Macayepo im Departement Bolívar angeordnet zu haben. Im Verlauf des November stellte der Oberste Gerichtshof sechs weitere Kongressabgeordnete wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Paramilitärs unter Anklage.

Im November hieß es in Presseberichten, die Generalstaatsanwaltschaft prüfe mehr als 100 Fälle mutmaßlicher geheimer Absprachen zwischen Paramilitärs und Staatsbediensteten, darunter Politiker, Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und der Justizbehörden sowie der Sicherheitskräfte. Ebenfalls im November gab die für Disziplinarverfahren zuständige Bundesbehörde die Einrichtung einer Sonderabteilung bekannt, um vermeintliche Verbindungen zwischen Staatsbeamten und paramilitärischen Gruppen zu untersuchen.

Nach wie vor begingen Paramilitärs in geheimer Absprache oder mit stillschweigender Duldung der Sicherheitskräfte schwere Menschenrechtsverletzungen.

Am 4. Februar wurde in der Nähe einer Polizeiwache im Verwaltungsbezirk Saravena des Departements Arauca der Gemeindesprecher Alirio Sepúlveda Jaimes erschossen. Der Täter, bei dem es sich um einen Paramilitär gehandelt haben soll, unterhielt dem Vernehmen nach Verbindungen zum lokalen Armeebataillon. Das Opfer gehörte zu einer Gruppe von rund 40 sozial engagierten Bürgern und Menschenrechtsverteidigern, die 2002 von den Behörden in Saravena festgenommen worden waren.

Exhumierungen von Massengräbern

In über 80 Massengräbern wurden im Berichtsjahr die sterblichen Überreste von rund 200 Personen gefunden, die im Zuge des bewaffneten Konflikts von paramilitärischen Einheiten getötet worden waren. Laut Angaben des Gremiums für Gerechtigkeit und Frieden der Generalstaatsanwaltschaft waren die sterblichen Überreste von rund 3000 »Verschwundenen« noch nicht gefunden worden. Schätzungen gingen allerdings davon aus, dass noch weit mehr Menschen, die als »verschwunden« galten, in Massengräbern verscharrt worden waren. Es wurden Befürchtungen geäußert, dass die mangelnde Sorgfalt bei den Exhumierungen die forensische Beweisaufnahme gefährden könnte. Zudem hieß es, die Behörden würden die Leichen nicht angemessen aufbewahren. Bemängelt wurde überdies, dass die Identifizierungsquote der aufgefundenen Toten nicht sehr hoch und die rechtsmedizinischen Untersuchungen nicht effizient gewesen seien. So sollen Paramilitärs aus einigen Massengräbern Leichenteile entfernt haben.

Straffreiheit

Nach wie vor stellte die Straflosigkeit ein ernstes Problem in Kolumbien dar. Weiterhin beanspruchte auch die Militärjustiz die Zuständigkeit für Ermittlungen und Gerichtsverfahren gegen Angehörige der Sicherheitskräfte, denen Menschenrechtsverletzungen angelastet wurden. Damit setzte sie sich über eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von 1997 hinweg, der die Ermittlungen in derartigen Fällen an die zivilen Justizbehörden verwiesen hatte. Tatsächlich wurden im Berichtszeitraum einige dieser Fälle an zivile Gerichte übertragen. Dazu gehörte die Ermordung von zehn Angehörigen der Kriminalpolizei (Dirección de Policía Judicial e Investigación – DIJIN), eines Polizeiinformanten und eines Zivilisten, die am 22. Mai in Jamundí im Departement Valle del Cauca von Soldaten getötet worden waren. Die Generalstaatsanwaltschaft stellte 15 Angehörige der Armee wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den Tötungen unter Anklage. Berichten zufolge hatten Drogenhändler mit Beziehungen zu paramilitärischen Gruppierungen die Morde in Auftrag gegeben. Die mit dem Fall betrauten Ermittler der Justizbehörden sollen Drohungen erhalten haben.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte fällte im Berichtsjahr Urteile in zwei exemplarischen Fällen von Straflosigkeit, welche Massaker durch paramilitärische Gruppierungen betrafen, die in geheimer Absprache oder mit stillschweigender Duldung der Sicherheitskräfte stattgefunden haben sollen. Im ersten Fall ging es um das Massaker von Pueblo Bello aus dem Jahr 1990, bei dem 43 Zivilisten getötet worden beziehungsweise dem »Verschwindenlassen« zum Opfer gefallen waren. Der zweite Fall betraf die Massaker von La Granja und El Aro aus den Jahren 1996 beziehungsweise 1997, die insgesamt 19 Menschen das Leben gekostet hatten. In beiden Fällen sah der Gerichtshof eine Teilverantwortung des kolumbianischen Staates als erwiesen an und ordnete Entschädigungszahlungen an die Opfer und ihre Familien an.

Die Sicherheitskräfte

Unvermindert häufig wurden Sicherheitskräften extralegale Morde angelastet.

Am 19. September sollen im Verwaltungsbezirk Morales des Departements Bolívar Soldaten Alejandro Uribe Chacón getötet haben, der sich in sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen engagierte.

Am 14. April wurde Berichten zufolge im Verwaltungsbezirk Argelia im Departement Antioquia der Kleinbauer Adrián Cárdenas Marín von Soldaten festgenommen. Am 15. April gab die Armee bekannt, er sei unweit der Stadt Argelia bei Kampfhandlungen getötet worden.

Die kolumbianischen Medien griffen mehrere Fälle auf, in denen der Armee Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt wurden.

Am 25. Januar mussten 21 Soldaten in einem Militärschulungszentrum in Piedras im Departement Tolima im Rahmen eines Initiationsritus Folterungen von Vorgesetzten, darunter sexuelle Erniedrigungen, über sich ergehen lassen. Ende 2006 liefen noch Ermittlungen der Zivilbehörden in diesem Fall.

Die Bundesdisziplinarbehörde leitete Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Beteiligung von Armeeangehörigen an mehreren Bombenanschlägen in Bogotá vom Juli und August ein. Unter anderem untersuchte die Behörde die Detonation einer Autobombe, bei der am 31. Juli ein Zivilist getötet und 19 weitere verletzt worden waren. Offizielle Stellen hatten den Anschlag der FARC zur Last gelegt.

Die Sicherheitskräfte, darunter Angehörige der polizeilichen Sondereinheit Escuadrón Móvil Antidisturbios (ESMAD), sollen am 15. und 16. Mai bei Massenprotesten von Kleinbauern und afrikanischstämmigen sowie indigenen Demonstranten in den Departements Cauca und Nariño mit exzessiver Gewalt vorgegangen sein. Mindestens ein Demonstrant kam dabei ums Leben, 50 Personen erlitten Verletzungen, darunter mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte und ein zwölfjähriges Kind.

Am 8. März verletzten ESMAD-Angehörige Angaben zufolge an der Nationaluniversität Bogotá mehrere Menschen, als sie eine Studentendemonstration auflösten. Während der Protestkundgebung warfen die Hochschüler Steine auf Polizisten. Der Student Oscar Leonardo Salas erlag am 9. März einer Kopfverletzung, die ihm offenbar durch einen Schuss der ESMAD zugefügt worden war.

Bewaffnete Oppositionsgruppen

Die beiden bewaffneten Oppositionsgruppen FARC und ELN waren auch im Berichtszeitraum wiederholt für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich, darunter Geiselnahmen und Tötungen von Zivilisten.

Am 9. Oktober fand man die Leichen von vier Kleinbauern, die ELN-Mitglieder im Verwaltungsbezirk Fortul des Departements Arauca entführt hatten. Zwischen März und August sollen FARC und ELN im Departement Arauca mehr als 20 Zivilisten getötet haben.

Am 27. Februar töteten nach vorliegenden Informationen FARC-Mitglieder im Verwaltungsbezirk Rivera im Departement Huila mindestens acht Stadtratsmitglieder, die gerade an einer Sitzung teilnahmen.

Am 25. Februar verübten FARC-Kämpfer dem Vernehmen nach im Departement Caquetá einen Anschlag auf einen Bus, bei dem zwei Kinder und sieben weitere Zivilpersonen starben.

FARC-Einheiten setzten zudem bei Anschlägen unverhältnismäßig und wahllos Gewalt ein, wodurch zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen.

Am 6. März wurden bei einem Sprengstoffanschlag im Verwaltungsbezirk San Vicente del Caguán im Departement Caquetá drei Zivilpersonen getötet, darunter eine 76-jährige Frau und ein achtjähriger Junge. Die Regierung schrieb den Anschlag der FARC zu.

FARC und ELN rekrutierten weiterhin Minderjährige als Kämpfer für ihre Truppen. Durch von Guerillagruppen gelegte Landminen wurden nach wie vor Zivilpersonen getötet und verstümmelt.

Am 2. August töteten mutmaßlich von der FARC gelegte Landminen im Verwaltungsbezirk La Macarena des Departements Meta fünf Polizisten und sechs Zivilisten, die für ein Regierungsprogramm zur Eindämmung des Koka-Anbaus arbeiteten.

Gewerkschafter, Menschenrechtsverteidiger und andere sozial engagierte Bürger

Menschenrechtsverteidiger und andere, die sich für soziale Belange und die Rechte ihrer Gemeinschaften einsetzen, waren in Kolumbien nach wie vor gefährdet. Die größte Gefahr ging zwar von paramilitärischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften aus, aber auch Guerillaeinheiten waren für Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Im Berichtsjahr wurden in Kolumbien allein mehr als 70 Gewerkschafter getötet.

Im September sollen FARC-Mitglieder Fabián Trellez Moreno, einen Gemeindesprecher und Delegierten des Kommunalrats von Boca de Bebará im Verwaltungsbezirk Medio Atrato des Departements Chocó, gefoltert und getötet haben.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen erhielten im Mai Gewerkschafter, Mitglieder linksgerichteter Parteien, Angehörige regierungsunabhängiger Menschenrechts- und Friedensorganisationen sowie Studenten und andere Personen Morddrohungen per E-Mail, deren Urheber vermeintlich neue paramilitärische Strukturen waren.

Am 2. Januar fand man im Verwaltungsbezirk Puerto Wilches des Departements Santander den Leichnam des Gewerkschafters Carlos Arciniegas Niño. Er hatte seit dem 30. Dezember 2005 als vermisst gegolten. Sein Körper wies nach vorliegenden Informationen Folterspuren auf. Das Verbrechen wurde der paramilitärischen Gruppe Bloque Central Bolívar (BCB) zugeschrieben. Am 31. August sandte die BCB Berichten zufolge eine schriftliche Morddrohung an den Gewerkschaftsverband Central Unitaria de Trabajadores (CUT) in Bucaramanga im Departement Santander. Die Gruppe hätte eigentlich spätestens seit dem 1. März im Zuge der Demobilisierung nicht mehr aktiv sein dürfen.

Gefahr für die Zivilbevölkerung

Angehörige indigener Gemeinschaften, Kleinbauern, Afro-Kolumbianer und Bewohner der umkämpften Konfliktzonen waren besonders gefährdet, Opfer von Angriffen der verschiedenen Konfliktparteien zu werden. In der ersten Jahreshälfte wurden über 770 Zivilpersonen getötet oder fielen dem »Verschwindenlassen« zum Opfer. Mehr als 219000 Menschen mussten im Berichtsjahr ihre Heimatorte verlassen, während die Zahl der im Vorjahr Vertriebenen bei 310000 gelegen hatte. In der ersten Jahreshälfte wurden zudem mehr als 45 Angehörige indigener Gemeinschaften getötet.

Am 9. August töteten Unbekannte im Verwaltungsbezirk Barbacoas des Departements Nariño fünf Angehörige der indigenen Gemeinschaft der A’wa.

Am 5. beziehungsweise 6. März töteten dem Vernehmen nach FARC-Mitglieder Juan Ramírez Villamizar, den ehemaligen indigenen Gouverneur des Indigenengebiets (resguardo) Makaguán de Caño Claro im Departement Arauca, sowie dessen Ehefrau Luz Miriam Farías, eine Lehrerin in der Schule des Indigenengebiets.

Bewohner sogenannter »Friedensgemeinden« und »humanitärer Zonen« sowie anderer Gemeinschaften, die öffentlich auf ihrem Recht beharrten, nicht in den Konflikt hineingezogen zu werden, wurden im Berichtsjahr erneut bedroht oder getötet.

Am 16. August sollen Paramilitärs in der Uferregion des Flusses Curvaradó im Departement Chocó die Bevölkerung gewarnt haben, Paramilitärs planten die Ermordung von Enrique Petro, eines Bewohners der afro-kolumbianischen »humanitären Zone« Curvaradó. Im März hatten Angehörige der Streitkräfte ihm vorgeworfen, Verbindungen zu Guerillagruppen zu unterhalten. Die Paramilitärs erklärten außerdem, weitere Bewohner der »humanitären Zone« Curvaradó töten zu wollen.

Am 15. August musste in Tierra Alta im Departement Córdoba ein Familienmitglied den Leichnam von Nelly Johana Durango identifizieren. Augenzeugenberichten zufolge war die Frau am 4. März von Soldaten aus dem Haus ihrer Familie verschleppt worden. Die Armee gab hingegen an, sie sei ein Mitglied der Guerilla gewesen und »im Kampf« getötet worden. Seit 1997 sind über 160 Bewohner von »Friedensgemeinden« ermordet worden – die Mehrzahl durch die Hand von paramilitärischen Gruppierungen oder Angehörigen der Sicherheitskräfte, einige aber auch von Guerillaeinheiten.

Entführungen

Die Zahl der Entführungen nahm erneut ab, von 800 im Vorjahr auf 687 im Berichtszeitraum. Bewaffnete Oppositionsgruppen, vornehmlich die FARC, waren für etwa 200 und damit für die meisten der im Kontext des bewaffneten Konflikts verübten Entführungen verantwortlich. Paramilitärs sollen zehn Menschen verschleppt haben. 267 Entführungen wurden gewöhnlichen Straftätern zugeschrieben, während in etwa 200 Fällen die Verantwortlichen nicht ausgemacht werden konnten.

Am 26. Juni soll die FARC Camilo Mejía Restrepo, seine Ehefrau Rosario Restrepo, den Sohn des Ehepaars und einen Neffen im Departement Antioquia entführt haben. Berichten zufolge töteten die Entführer Camilo Mejía auf der Flucht vor den Behörden und verletzten seinen Neffen.

Am 7. Juni verschleppte die ELN Javier Francisco Castro im Verwaltungsbezirk Yondó des Departements Antioquia. Sie warf ihm offenbar vor, Verbindungen zu den Sicherheitskräften zu unterhalten. Bis Ende des Berichtsjahrs fehlte noch jede Spur von ihm.

Am 27. April töteten Unbekannte in Dosquebradas im Departement Risaralda die Schwester des früheren Staatspräsidenten César Gaviria Trujillo, Liliana Gaviria Trujillo, und ihren Leibwächter Fernando Vélez Rengifo. Bei der Tat soll es sich um einen gescheiterten Entführungsversuch gehandelt haben. Nach Darstellung der Behörden hatte die FARC die Entführung angeordnet.

Gewalt gegen Frauen

Angehörige aller Konfliktparteien waren im Berichtsjahr erneut für Drohungen, Entführungen, sexuellen Missbrauch und Tötungen von Frauen und Mädchen verantwortlich.

Am 22. Oktober sollen zehn Soldaten in das Haus einer Frau im Verwaltungsbezirk Puerto Lleras des Departements Meta eingedrungen sein. Berichten zufolge vergewaltigten vier der Soldaten die Frau anschließend vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes. Nachdem sie die Vergewaltigung bei den Behörden zur Anzeige gebracht hatte, wurde das Opfer Berichten zufolge bedroht.

Am 9. April wurde nach vorliegenden Meldungen im Verwaltungsbezirk Fortul des Departements Arauca eine Frau von Guerillakämpfern vergewaltigt.

In der Stadt Barrancabermeja im Departement Santander vergewaltigten und töteten Paramilitärs am 21. März Yamile Agudelo Peñaloza, die der Frauenrechtsorganisation Organización Femenina Popular angehörte. Ihr Leichnam wurde am folgenden Tag gefunden.

US-Militärhilfe

Die Kolumbien von den USA gewährte finanzielle Unterstützung belief sich im Berichtszeitraum auf schätzungsweise 728 Millionen US-Dollar, wovon 80 Prozent auf Militärhilfe und Unterstützung der Polizei entfielen. Im Juni hielt der US-Kongress die Zahlung von 29 Millionen US-Dollar mit der Begründung zurück, die Regierung in Washington habe sich nicht angemessen mit dem Kongress über das Verfahren abgestimmt, nach dem 25 Prozent der US-Hilfe an Bedingungen im Hinblick auf Fortschritte der kolumbianischen Regierung und der Behörden der einzelnen Departements auf dem Gebiet der Menschenrechte geknüpft waren. Trotz dieser Entscheidung des Kongresses gab das US-Außenministerium die Gelder frei. Das Außenministerium willigte jedoch ein, mit Kongressabgeordneten und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen in den USA Gespräche über den Konsultationsprozess bei der Zuteilung der Finanzhilfe und über etwaige Verbesserungsvorschläge zu führen. Mit rund 17 Millionen US-Dollar wurde der Demobilisierungsprozess paramilitärischer Gruppen in Kolumbien unterstützt, davon flossen fünf Millionen US-Dollar an das Gremium für Frieden und Gerechtigkeit der Generalstaatsanwaltschaft. Die US-Finanzhilfe war wie bisher an Bedingungen im Hinblick auf die Menschenrechte in Kolumbien geknüpft.

Das Kolumbien-Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte

Obwohl in Berichten von Bestrebungen der Regierung die Rede war, das Mandat des Kolumbien-Büros der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte (UNHCHR) einzuschränken, vor allem im Hinblick auf dessen Beobachterrolle, gaben die kolumbianische Regierung und das UNHCHR im September bekannt, das bestehende Mandat des Büros werde um weitere zwölf Monate verlängert. In dem jüngsten im Januar veröffentlichten Bericht des UNHCHR über Kolumbien, wurde die Regierung aufgefordert, die Empfehlungen der Vereinten Nationen bezüglich der Menschenrechte umzusetzen und den seit langem zugesagten Aktionsplan für Menschenrechte anzunehmen sowie den Schutz für Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien zu verbessern. Das UNHCHR richtete sich zudem an alle Konfliktparteien mit der Forderung, das Recht auf Leben zu respektieren und von willkürlichen und wahllosen Angriffen, Entführungen, der Rekrutierung von Kindersoldaten und sexueller Gewalt Abstand zu nehmen. Der Bericht empfahl außerdem, die rechtlichen Bestimmungen über die Demobilisierung illegaler bewaffneter Gruppen an Menschenrechtsstandards anzupassen und dabei unter anderem das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung zu wahren. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte stellte den Bericht bei der zweiten regulären Sitzung des neu geschaffenen UN-Menschenrechtsrats am 28. September vor.

Berichte und Missionen von amnesty international

Berichte

Colombia: Reporting, campaigning and serving without fear: The rights of journalists, election candidates and elected officials (ai-Index: AMR 23/001/2006)

Colombia: Open letter to the presidential candidates (ai-Index: AMR 23/013/2006)

Colombia: Fear and intimidation: The dangers of human rights work (ai-Index: AMR 23/033/2006)

Missionen

Vertreter von amnesty international reisten im Februar, März und Oktober nach Kolumbien.

 

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7. Mai 2008 3 07 /05 /Mai /2008 16:13

Schnell wurde der Bauch meiner Mutter beängstigend grösser, bis sie es nicht mehr verheimlichen konnte. Irgendwann sprach die Tante sie darauf an und es gab ein gewaltiges Donnerwetter. Kurz Mutter wurde mit Schimpf und Schande aus dem Haus geworfen. Es gab nur einen Ort wo sie hin konnte, in die Stadt zu ihrer Mutter, welche sie vor 18 Jahren bei der Tante zurückließ. Natürlich hatte sie Angst, war gleichzeitig froh um auf andere Gedanken zu kommen, den Tankstellenbesitzer nicht mehr sehen zu müssen und natürlich auch um ihre anderen Geschwister endlich besser kennen zu lernen. Sie kannte die Stadt bisher nur durch kurze Besuche und hat sich noch nie Gedanken darüber gemacht wie es sein würde dort zu leben. Dort in der Stadt wo ihresgleichen vor allem in einem der grössten Slums Südamerikas lebten, welches die grösste Siedlung dunkelhäutiger Menschen ausserhalb Afrikas sein soll.

Doch solche Gedanken machte sich meine Mutter nicht, noch nicht. Sie fühlte sich verloren, beobachtet. Während in ihrer Heimatstadt Weisse nur ab und zu anzutreffen waren, hier waren sie überall. Überall wo es Arbeit gab waren zuerst einmal die Weissen. Wie Kletten hingen sie an den gut bezahlten und sicheren Arbeitsplätzen und nur wenige Schwarze schafften den Sprung aus den üblichen Jobs wie Dienstmädchen, Putzfrau, Bauarbeiter, usw. in ein Büro, in die Stadtverwaltung oder sogar auf die Universität um zu studieren.

Die erste Zeit bei meiner Grossmutter wartete meine Mutter vor allem darauf, dass ich endlich geboren werde. Der Schreck war gross, als ausser mir noch mein Bruder 2 Minuten später hinterher kam. Meine Mutter verlor viel Blut, man hatte Angst, dass sie stirbt. Jahre später erzählte sie mir, dass sie im Krankenbett alles gehört und gesehen hat aber unfähig zu einer Bewegung war, nicht mal die Augenlieder konnte sie bewegen. Sie hatte Angst, dass man sie lebend begraben würde. Soweit kam es jedoch nicht und bald fing für Mutter der Alltag an.


Mutter spürte immer mehr, dass sie in diesem Haus eher nur geduldet und nicht erwünscht war. Sie fühlte sich wie ein Eindringling in diese fremde, von ihr durch die ganze Kindheit aufs innigste herbeigesehnte Welt der Mutter. Sie erwartete Geborgenheit, Liebe, Zärtlichkeit, kurz alles, was sie sich durch ihre Kindheit hindurch oft nachts alleine traurig im Bett herbeiweinen wollte, als sie immer diese schwarze Leere des alleingelassen Seins fühlte. Nein, einfach war es nicht, immer zu fühlen, dass man nicht dazu gehört und Mutter entschloss sich, etwas dagegen zu tun.

Und Mutter hatte Glück! Sie fand eine Stelle in einem internationalen Hilfsprojekt wo mittellose Menschen billigst medizinische Versorgung erhielten und fand einen Platz in einem Projekt von Nonnen, wo sie das Abitur nachmachen konnte.

Ihre Mutter und Familie waren bereit zu mir und meinem Bruder zu schauen während meine Mutter arbeitete oder zur Schule ging. Dafür übergab meine Mutter ihren ganzen Verdienst meiner Grossmutter. Wir Kinder hatten jedoch nicht viel davon.

Sobald Mutter aus dem Hause war bekamen wir es zu spüren, dass wir nicht dazu gehörten. Kein Schwein kümmerte sich um uns, oft lagen wir von Morgensfrüh bis zur Rückkehr von Mutter in den gleichen Windeln und wir wurden nur auf das notdürftigste versorgt. Auf unser Weinen wurde kaum reagiert, höchstens mit Schlägen, Geschrei. Liebe gab es erst für einige Augenblicke wenn Mutter gegen 22 Uhr todmüde von der Schule kam. Zu dritt lagen wir dann im kleinen Bett von Mutter und hatten endlich das wonach wir den ganzen Tag über schrien.

Und der Tag von Mutter hatte es in sich. Montag bis Samstag arbeitete sie von 7 Uhr früh bis gegen 17 Uhr im Projekt als Hilfsschwester. Ohne Pause gings in die Schule bis 22 Uhr abends. Mutter hatte nur den Sonntag für uns.

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7. Mai 2008 3 07 /05 /Mai /2008 14:32

Wie seit vielen Nächten schleppt sich das junge, schöne Mädchen mit dem Hauch von Verruchtheit und ewiger Jungfräulichkeit Richtung des Tales, vor dessen Betreten sie seit damals Furcht hat, als die ganze Familie gezwungen war ein anderes, das Tal ihrer Erde zu verlassen, da mächtige Männer aus der großen Stadt gekommen sind um das bißchen Erde welches der ganze Besitz und Stolz der Familie war zu übernehmen. Lange sträubten sie sich, die par Hektar karge Heimat aufzugeben, doch die Grausamen aus der Stadt töteten einige ihrer Brüder, vergewaltigten regelmäßig alles was Frau war oder bald werden würde, bis schließlich der Vater den zerstörten Überrest einer einst heilen Familie in diese Stadt führte, in dieses von Neid, Angst und Tod zerfressene Tal am Rand der großen Stadt, die nachts mit ihren gleißenden Lichtern Verlockung und ein wenig Wohlstand verspricht.

Je näher die Lichter aus dem Tal rücken, desto tiefer spürt „Erendíra“ die Entwürdigung als tiefen stechenden Schmerz zwischen ihren Beinen, als gierige Hände an ihren bereits erblühten, straffen Brüsten. Wie viele wa­ren es diese Nacht, die für einige Pesos auf sie stiegen, rücksichtslos die Tränen und das Schmerzgestöhn dieses jungen, erst am aufblühenden Frauenkörpers als Lust empfanden? Dieses stechende Gefühl, als würde man ihr innerstes verbrennen ertrug sie zum ersten mal vor drei Jahren, als „Erendíra“ knapp 11 Jahre alt neben dem Körper eines ihrer toten Brüder mehrmals rücksichtslos genommen wurde als wäre sie eine läufige Hündin. So erlebt sie den Mord an ihrem Bruder, täglich neu bis zwanzig mal, durch diesen entsetzlichen entwürdigenden Schmerz in ihrer Seele.

 

Mit Gedanken versucht „Erendíra“ die Angst vor ihrem einsamen , gefährlichen Nachhauseweg zu bekämpfen, denkt an das bißchen Kindheit welches sie hatte, an die vor Gram gestorbene Mutter, ihre Brüder. Wie konnte sich der Vater in diesem Tal nur so verändern? Früher, auf ihrem Stückchen Heimat war er ein muti­ger, stolzer Mann, niemand beherrschte die Pferde so wie er. Selbst die wildesten „yeguas“ machte er sanft und es war eine Augenweide ihn auf dem Pferd zu sehen. Als wäre er mit dem Tier verwachsen vollführte er die schwierigsten Kunststücke, .man hat ihn nie Schreien, ein Tier, seine Frau oder Kinder schlagen sehen. Er war so groß, dieser wilde zarte Mann, daß er Gewalt nicht brauchte. Nie zeigte er seinen Schmerz, selbst an den Gräbern seiner Söhne sah er aufrecht und mit funkelnden Augen in die Gesichter der Trauergäste, mit Augen, die jedermann Furcht einflößten, wenn der wilde feurige Blick sie traf.  Doch heute sind diese Augen erstarrt, leer. Der Alkohol, „Basuco“ haben das Klingen der Seele des Vaters verstummen lassen. Jetzt schreit und schlägt er immer öfters die übriggebliebe­nen Kinder, ist kaum mehr nüchtern, bewegt sich ruhelos wie eine gefangene Wildkatze in der kleinen, ver­gammelten Bretterbude, wo es rein regnet und beim großen Regen der Boden wie ein Sumpf ist, wo der Rest der Familie in zwei Bettähnlichen Rohrgestellen mit durchgeweichten, irgendwo auf dem Abfall gefundenen Matratzen, abwechselnd schlafen muß.

  Würde sie dieser gebrochene Mann auch heute wieder schlagen, der Mann der einst ihr stolzer Vater war und vor dem sie immer weniger Achtung und immer mehr Angst hatte? Würde er auch heute so besoffen sein, daß er versuchen wird auf seine eigene Tochter zu steigen, auf die Tochter, auf die er früher ob ihrer großen Schönheit so stolz war und welche er nun schlägt weil sie anschaffen geht um das überleben zu fi­nanzieren, welche er auch schlägt wenn sie mal nicht anschaffen gehen will?

 

Wie sich doch ihre Welt verändert hat seit damals als man die geliebte Heimat verlassen hat. Ihre restlichen Brüder haben einen Namen durch ihren Wagemut als Mitglieder in einer dieser Jugendbanden, die das Tal so unsicher und lebensfeindlich machen. Täglich hat „Erendíra“ Angst, daß sie bei ihrem einsamen Nachhauseweg plötzlich vor einem ihrer übriggebliebenen Brüder stehen könnte, mit starrem Blick, verzerrtem Gesicht, verkrampften Gliedern auf der Straße liegend, hingerichtet von einem dieser „Todesschwadrone“ oder einer anderen Bande. Gott scheint die Familie verlassen zu haben, als sie ihre geliebte Heimat verlassen hat, als würde er ihnen diesen Verrat am Aufgeben der Erde nie verzeihen und nun Elend über Elend auf die gebeu­telte Familie schleudern. Ob es nicht besser gewesen wäre auf dem Stückchen Heimat zu bleiben, nach und nach zu sterben, zu sterben auf der geliebten Erde und nicht hier in diesem von Gott und der Welt vergesse­nen Tal? Alle sind sie längst tot durch die Schande, die Entwürdigungen, durch das erbärmliche vegetieren im Nirgendwo, angesiedelt im Nichts, nicht Mensch nicht Straßenköter.

 

„Erendíra“ erreicht nun den Beginn wo der Asphalt verlorengegangen schien, sich die Straßenlaternen ob der alltäglichen Furchtbarkeit zurück gezogen haben, vor lauter Entsetzen zuerst das leuchten vergaßen um schließlich, ob all der abscheulichsten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Nichtexistenz in diesem Teil des Tales dem Zeugen sein vorzogen. Diese Lichter, die Sicherheit vorgaukelten, die stummen Zeugen von Vergewaltigung, Kampf, Tod existieren nur noch in den Erinnerungen derjenigen, die das Pech hatten weit nach Einbruch der Dunkelheit dazu verdammt zu sein diesen einsamen Raum betreten zu müssen.  

Das Mädchen bleibt müde stehen, ist viel zu ausgelaugt um noch Angst zu empfinden, beinahe Gleichgültig betrachtet sie die Büsche und Schatten wo jederzeit jemand lauern konnte um sie auszurauben, sich an ihr zu befriedigen wie bereits öfters. Seit ihre Brüder einige dieser Eindringlinge töteten, hat es sich herumgesprochen, daß man „Erendíra“ nicht ungestraft entehren darf. Es hat sich auch herumgesprochen, daß sie die Schwester einiger „bandilleros“ ist und ab und zu lauern ihr verfeindete Banden ihrer Brüder auf um durch „Erendíra“ Schande über die Familie zu bringen.

 

Sie setzt sich auf einen ihr lieb gewordenen Felsbrocken, fühlt sich beinahe wie früher, als sie fern der Stadt in ihrer Heimat tagelang da saß und fröhlich in den Tag hinein träumte, die Ziegen und Schweine der Familie hütete. Auch jetzt träumt „Erendíra“, träumt von Geborgenheit bei einem Mann der so ist wie es Vater war, träumt von Liebe, Leidenschaft die sie nur als Schmutz und Schmerz kennt und worüber ihre Freundinnen ihr immer erzählen, wenn sie sich morgens nach einem durchgetanzten Samstag in einer dieser billigen, schmuddeligen „Salsotecas“  bei „Chito’s tienda“ zum plaudern trafen. Noch nie hat sie einen Freund gehabt, jemanden der ihr lieb war und ihr kleine Geschenke brachte, nachts unter ihrem Fenster pfiff. Niemand will etwas mit ihr, der Hure zu tun haben, außer sie gelegentlich zu nehmen, wenn sie im Basuco Rausch die täglichen Entwürdigungen zu vergessen versuchte, apathisch da lag, nicht spürte wer und wie oft man über sie hinweg stieg.

 

Freilich gibt es einen jungen, verwegenen Mann; „Bambinas“, der Anführer der Bande „el combo de la muerte“. Stolz sieht er aus, wie ein Guerillero wenn er mit seiner Maschinenpistole und den umgehängten Handgranaten mit seiner Bande durch das Viertel zieht, auf jagt geht nach Feinden die im Viertel Terror verbreiten. Seit „Erendíra“ diese schwarze Wildkatze zum ersten mal sah wußte sie, dies ist der Mann dem sie sich hingeben wird, freiwillig, mit Leidenschaft und scheu als wäre sie immer noch Jungfrau und nicht gefüllt vom Ekel der drei Jahre absämerei. So oft es geht sucht sie seine Nähe, nur ein Blick von ihm und sie ist glücklich, läßt sie vergessen was man ihr antut. Wild, als wären es die ehemaligen Augen ihres Vaters, begleitet sie den heimlichen Geliebten so lange sie ihm mit den Blicken folgen konnte.

 

Einmal versteckte sie ihn in ihrer Hütte, als eine Bande wild gewordener Todesschwadrone durch das Viertel zog und alles umbrachte was um diese Uhrzeit jung, und noch irgendwo im Staub der Straßen hockte. Nie wird sie vergessen, wie in dieser Nacht das Viertel ohne Schutz war und diese Rächer der elitären Gesellschaft dreiundzwanzig Leben zerstörten, Leben, die zum teil noch Kinder waren wie der kleine, neun jährige „Pablito“ welcher von seiner Mutter geschickt wurde um bei „Pacho’s tienda“ ein wenig Öl zu kaufen und direkt in die Kugeln rannte. Man erkannte ihn kaum mehr, eine Ladung Schrott fetzte ihm das halbe Gesicht weg.

 

Aus irgend einem Grunde war „Bambinas“ in dieser Nacht nicht mit seiner Bande unterwegs, daß er beim großen Stein am Eingang zum Tal auf sie wartete erzählte er ihr erst später. „Erendíra“ jedoch ging an diesem Tag früher als sonst nach Hause, es gab kaum Kunden und der Tag lief schlecht. „Bambinas“ hörte die Schüsse bei „Erendíras“ Stein, während diese sich im Gerümpel unter einer der Schlafstätten versteckte. Was soll er tun, ins Viertel und kämpfen, „Erendíra“ entgegen gehen und ihr endlich seine Gefühle zeigen? Er entschied sich fürs Viertel obgleich ihm die Angst um das Mädchen beinahe den Verstand raubte, stürmte in wilden Sätzen ins Viertel zurück. Während er im Schatten der Büsche am  Fußballplatz vorbei jagte kroch „Erendíra“ innerlich getrieben aus dem Gerümpel raus, entfernte einige Bretter am Hinterteil der Hütte und schlich im Schutze der Nacht und des „Guadua“ den Hang zum „río Aguacatal“ runter. Sie kam gerade rechtzeitig um zu sehen wie „Bambinas“ kurz nach dem Fußballplatz von drei Motorräder in die Klemme genommen wurde. „Bambinas“ schoß den einen runter, hetzte mit langen, kräftigen Schritten zum Flüßchen, direkt auf „Erendíra“ zu. „Erendíra“ sah diesen wilden Körper auf sich zujagen, erschrak als er strauchelte, mit einem letzten gewaltigen Satz und grellem Schrei über das Flüßchen hetzte und hinfiel. Das Mädchen vergaß Angst und Tod, war in wenigen Sprüngen bei ihm, nahm die Waffe, schleppte mit der Kraft der Verzweiflung den Verletzten den Hang hoch, zurück durch das Loch in der Wand ihrer Hütte und stopfte ihn zu dem Gerümpel unter dem Bett.

 

„Erendíra“ war erleichtert, als die Schüsse verstummten und sich der Lärm der Motorräder in der Nacht verlor, doch noch stundenlang saß sie in der Ecke hinter der Tür, wimmerte, aus Angst des überstandenen, aus Angst um „Bambinas“, der leise vor sich hin stöhnte. Erst als „Juancho“, ihr ältester Bruder in die Hütte kam, traute sie sich zu bewegen und gemeinsam zogen sie den Verletzten aus dem Gerümpel unter dem Bettähnlichen Gestell. Seine Wunde war nur klein, er würde jedoch einige Zeit kaum mehr die dunklen Aufgänge im Viertel hoch hetzen können. Die Angreifer hatten die Hütte wo „Bambinas“ mit seiner Familie lebt total zerstört, sie wußten also wo er lebt und konnte sich nicht nach Hause wagen. Gott sei dank war niemand von der Familie anwesend gewesen, „Bambinas“ jedoch schwor blutige Rache für den kleinen „Pablito“, sein zerstörtes Zuhause...

 

„Erendíra“ schrickt aus ihren Erinnerungen auf, hört einige Stimmen und versteckt sich hinter ihrem Stein. Als sie ihre Brüder, „Bambinas“ und andere bekannte Stimmen aus dem Viertel hörte stand sie auf, ging den Freunden entgegen. Sie waren gekommen um sie abzuholen, hatten genug vom herumlungern und verkürzten sich so die Zeit. „Erendíra“ errötete beim Gruß „Bambinas“ und dieser ließ sie nicht aus den Augen.

Seit jenem Tag, als sich der junge Krieger unter ihrem Bett versteckte, war auch in „Bambinas“ etwas anders geworden, fühlt er sich unbeobachtet, schaut er mit tiefster Zärtlichkeit auf die ewig schöne Erendíra, heimlich schreibt er ihr Gedichte um sie danach als Schiffchen den „„río Aguacatal““ runter zulassen. Auf dem Weg ins Viertel malt sich Erendíra aus wie schön sie in einem Brautkleid an der Seite dieser schwarzen Raubkatze aussehen würde.

 

Es sollte noch viele hundert Tote kosten, bis Erendíra und „Bambinas“ den Mut fanden sich ihre Liebe zu gestehen. Als es so weit war, wurde Erendíra gerade sechzehn und „Bambinas“ hatte nach einigen üblen Verletzungen das bewaffnete herumstrolchen aufgegeben. Ansonsten hat sich nicht viel geändert in unserem Tal, mal ist es ein wenig ruhiger, doch nachts sind sie immer noch zu hören die Schüsse, die uns in den Schlaf geleiten und beruhigen, da man hört wie weit entfernt die Auseinandersetzungen stattfinden und wir warten immer noch auf die Rückkehr der Straßenlaternen die vor Schreck zu leuchten vergaßen. Ob die Kinder von „Erendíra“ und „Bambinas“ sie werden leuchten sehen?  

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7. Mai 2008 3 07 /05 /Mai /2008 14:26

Mutter wurde ungefähr im September 1968 geboren. So genau weiss dies jedoch niemand. Jedenfalls wurde sie im Jahre 1968 im einzigen Notariat des Fischerstädtchens, welches auf drei Inseln in den Mangroven gebaut ist, registriert. Meist ist es am Geburtstag wo man ihr anmerkt, dass es sie schmerzt nicht genau zu wissen, an welchem Tag, in welchem Jahr, sie geboren wurde. Längst hat sie es aufgegeben meine Grossmutter danach zu fragen, denn Jahr für Jahr bekam sie immer eine andere Antwort.

Sie hatte es nicht leicht meine Mutter, aus irgend einem Grunde war sie eher eine Belastung als eine Tochter. So kam es, dass meine Grossmutter das Fischerstädtchen verliess als meine Mutter 2 Jahre alt war und ihre ledige, jüngere Schwester, eine der Tanten meiner Mutter damit beauftragte sie grosszuziehen. Niemand ahnte zu dieser Zeit, dass Mutter und Tochter erst wieder in 18 Jahren zusammenfinden würden.

Grossmutter wollte in die grosse Stadt, Geld verdienen um vielleicht bald zurückzukehren um sich ein Haus zu bauen. 40 Jahre sind vergangen und Grossmutter lebt immer noch am Rande der Stadt. Mittlerweile hat sie ein kleines Häuschen, verschliss bereits den zweiten Ehemann und hat sieben weitere Kinder. Ihren Traum vom kleinen eigenen Haus in ihrer Heimat hat sie längst im Schutt des Alltags verloren. Sie ist zufrieden, wenn es einwenig Arbeit gibt und sie die vielen Münder stopfen kann, mehr will sie nicht mehr. Ihr Traum ist jetzt das Himmelreich welchen ihr so eine sektiererische Freikirche a la "made in USA" in den Kopf gesetzt hat. Tag für Tag geht sie missionieren, sie muss wenn sie in den Himmel kommen will. Und für den Himmel tut sie alles! Vernachlässigt die Arbeit, die Kinder, das Leben, den letzten Ehemann welcher sich über die letzten Jahre damit begnügte auf dem Schemel vor dem Haus zu sitzen und sich stoisch in den tod soff. Das Himmelreich war zuviel für ihn.

Über ihren Vater weiss Mutter nicht viel. Er war einer dieser Reisenden welche überall im Grenzland ihre schnellen Geschäfte machen und an vielen Orten Frau mit Kinder haben. Zweigniederlassung nennt man dies. Ab und zu war er für einige Wochen zu Hause um nach kurzer Zeit und Schwängerung der Frau erneut loszuziehen. Leider starb er als Mutter noch sehr klein war. Zeit seines Lebens sagte er, dass er stehend begraben werden wolle. Der Totengräber weigerte sich jedoch dies zu tun. Doch nach einigen schlaflosen Nächten mit schlechtem Gewissen und Angst vor dem Geist meines Grossvaters erfüllte er ihm den Wusch, budelte ihn aus, vegrösserte das Grab um ihn aufrecht reinzustellen. Darüber spricht man noch Heute, nach über 30 Jahren im Heimatstädtchen meiner Mutter.

Mutters Tante war eine lebensfrohe, kräftig gebaute Frau mit unglaublich schönen Gesichtszügen. Sie war Lehrerin, was ihr im Fischerdörfchen eine gewisse Autorität gab. Sie arbeitete ziemlich weit in den Mangroven draussen in einem kleinen Nest als Lehrerin. Da der Weg sehr weit war, blieb sie meist von Montag bis Freitag in dem kleinen Nest und überliess die Erziehung meiner Mutter vor allem ihr selber, der zweiten Tante, den Cousinen und dem Dienstmädchen welches ebenfalls noch Kind war und von der Tante mit Essen und Bildung bezahlt wurde.

Die Zeit war hart. Geprägt von Vernachlässigung und Schlägen entwich meine Mutter der Kindheit. So oft sie konnte floh sie aus der dunklen Bretterbude auf die Gasse wo es hell war, die Sonne wärmte und Menschen waren. Ihre Brüste fingen gerade an zu spriessen, als sie auch vor einem Cousin fliehen musste, der sich eines nachts auf sie legte und in sie eindrang. Dieses Erlebnis machte sie noch einsamer, denn niemandem konnte sie davon erzählen, niemand schien die Veränderungen zu bemerken, Angst und Schmerz in ihren Augen wahrzunehmen wenn der Cousin wieder mal aus einem ganz bestimmten Grund zu Besuch kam. In dieser Zeit hatte sie nur eine Hoffnung, ihren Bruder der vor langer Zeit das Haus verliess um Geld zu machen und seither verschollen ist wiederzusehen. Der Gedanke an ihn gab ihr Kraft, Zuversicht.

Kurz, ihre Kindheit verging rasend, sie erlebte viel, erlebte sogar einen Tsunami als man dieses Wort in Europa noch mit einem südländischen Nachtisch verwechselte. 

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