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7. Mai 2008 3 07 /05 /Mai /2008 23:19

Jahresbericht 2007

Berichtszeitraum 1. Januar bis 31. Dezember 2006

KOLUMBIEN

Amtliche Bezeichnung: Republik Kolumbien

Staats- und Regierungschef: Alvaro Uribe Vélez

Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft

Statut des Internationalen Strafgerichtshofs: ratifiziert

Vor allem in den ländlichen Gebieten Kolumbiens bewegten sich im Berichtsjahr schwere Menschenrechtsverstöße weiterhin auf einem kritischen Niveau, wenn auch die Anzahl bestimmter Gewalttaten wie etwa Entführungen und Tötungen, die im Kontext des jahrzehntelangen bewaffneten Konflikts standen, weiter zurückging. Alle Konfliktparteien – auf der einen Seite die Sicherheitskräfte und von der Armee unterstützte Paramilitärs und auf der anderen Seite Guerillagruppen, vornehmlich die Revolutionären Streitkräfte von Kolumbien (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia – FARC) und die kleinere Gruppierung Nationale Befreiungsarmee (Ejército de Liberación Nacional – ELN) – begingen unvermindert Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht. Sie trugen außerdem die Verantwortung für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die Zahl der Menschen, die im Berichtszeitraum im Zuge des bewaffneten Konflikts aus ihren Heimatorten vertrieben wurden oder fliehen mussten, lag zwar unter den Vorjahreszahlen, insgesamt aber gab die Situation der Binnenvertriebenen nach wie vor Anlass zur Besorgnis. Die weiterhin auf Gewerkschafter und Menschenrechtsverteidiger verübten Angriffe wurden vor allem paramilitärischen Gruppierungen angelastet. Überdies erreichten amnesty international nach wie vor Meldungen über von Sicherheitskräften begangene extralegale Hinrichtungen und gezielte Morde an Zivilisten sowie Entführungen durch Guerillaeinheiten.

Hintergrundinformationen

Der parteilose Staatspräsident Alvaro Uribe Vélez wurde im Mai für eine zweite Amtszeit wiedergewählt. Bei den Kongresswahlen im März konnten Uribe nahestehende Parteien die Mehrzahl der Sitze in beiden Kammern des Parlaments auf sich vereinigen.

Spekulationen, denen zufolge die Verhandlungen zwischen der Regierung und der FARC über einen Gefangenenaustausch kurz vor dem Durchbruch stünden, bewahrheiteten sich nicht, nachdem Präsident Uribe der FARC vorgeworfen hatte, am 19. Oktober in der Militärhochschule Nueva Granada in Bogotá einen Sprengstoffanschlag verübt zu haben, bei dem mindestens 20 Personen verletzt wurden. Die ELN und Vertreter der Regierung trafen im Oktober in Kuba zum vierten Mal zu Sondierungsgesprächen zusammen. Wie aus Regierungskreisen verlautete, hatten bis Ende des Jahres mehr als 30000 Paramilitärs ihre Waffen im Rahmen eines von der Regierung geförderten Demobilisierungsprozesses niedergelegt. Dieser Prozess löste in weiten Kreisen immer wieder Kontroversen aus. Im Juli erklärte das Verfassungsgericht entscheidende Paragraphen des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden, welches den rechtlichen Rahmen für die Demobilisierung paramilitärischer Gruppierungen schaffen sollte und von Menschenrechtsorganisationen kritisiert worden war, für verfassungswidrig. Im September setzte die Regierung dessen ungeachtet das Gesetz per Erlass in Kraft. Aufgrund der vom Verfassungsgericht geäußerten Kritik an dem Gesetzeswerk waren zwar einige Änderungen vorgenommen worden, dennoch blieben Bedenken bestehen, die Bestimmungen könnten das Problem der Straflosigkeit weiter verschärfen und den Opfern ihr Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung vorenthalten. Trotz der angeblich fortschreitenden Demobilisierung deuteten starke Indizien darauf hin, dass paramilitärische Truppen weiterhin mit stillschweigender Duldung oder gar mit Unterstützung der Sicherheitskräfte operierten und Menschenrechtsverletzungen begingen. Im November wurden drei Parlamentsabgeordnete wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Paramilitärs festgenommen. Gegen weitere Abgeordnete und Politiker waren Ende des Jahres offenbar Ermittlungen des Obersten Gerichtshofs anhängig.

Verstöße paramilitärischer Gruppen trotz vermeintlicher Demobilisierung

Die von der Organisation Amerikanischer Staaten (Organization of American States – OAS) nach Kolumbien entsandte Mission zur Unterstützung des Friedensprozesses veröffentlichte im August einen Bericht. Darin hieß es, einige der demobilisierten Paramilitärs hätten sich zu kriminellen Banden zusammengeschlossen, andere entzögen sich der Demobilisierung. Überdies seien neue paramilitärische Einheiten entstanden. Nach wie vor begingen paramilitärische Gruppierungen in Gebieten Menschenrechtsverletzungen, in denen ihre Demobilisierung angeblich abgeschlossen war. Seit ihrer Waffenstillstandserklärung im Jahr 2002 sollen paramilitärische Gruppierungen für über 3000 Tötungen und Fälle von »Verschwindenlassen« verantwortlich gewesen sein.

Nach vorliegenden Informationen töteten Paramilitärs der Gruppierung Bloque Noroccidente am 11. Februar sechs Kleinbauern im Verwaltungsbezirk Sabanalarga des Departements Antioquia.

Anwendung des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden

Mit Dekret Nr. 3391 setzte die Regierung einige in die Kritik geratenene Teilbereiche des Gesetzes über Gerechtigkeit und Frieden wieder in Kraft. Besonders umstritten war die Aufnahme »landwirtschaftlicher Integrationsprogramme«, in denen Kleinbauern, Binnenvertriebene und demobilisierte Paramilitärs in regierungsfinanzierten Agrarprojekten zusammengebracht werden sollen. Dies könnte bedeuten, dass Kleinbauern und Binnenvertriebene mit eben jenen Personen zusammenarbeiten sollen, die sie von ihrem Land vertrieben und Menschenrechtsverletzungen an ihnen verübt haben. Letztlich könnten diese Programme auch eine Legalisierung der Besitzverhältnisse über Land festschreiben, das sich die Paramilitärs gewaltsam angeeignet hatten. Das Dekret enthielt zudem keine Maßnahmen zur Identifizierung und strafrechtlichen Verfolgung Dritter, darunter Angehörige der Sicherheitskräfte und Politiker, die paramilitärische Gruppierungen sowohl logistisch als auch finanziell unterstützt haben.

Das Gesetz über Gerechtigkeit und Frieden blieb auch in der überarbeiteten Version hinter internationalen Standards für Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung zurück und sollte lediglich auf rund 2600 der mehr als 30000 vermeintlich demobilisierten Paramilitärs angewendet werden. Die überwiegende Zahl der demobilisierten Paramilitärs hatte von einer De-facto-Amnestie im Rahmen des Erlasses 128 aus dem Jahr 2003 profitiert. Im Dezember erklärten die paramilitärischen Gruppen ihren Rückzug aus dem »Friedensprozess«. Diese Bekanntmachung folgte auf eine Entscheidung der Regierung vom 1. Dezember, 59 vermeintlich demobilisierte führende Paramilitärs aus dem Gewahrsam in einer ehemaligen Ferienanlage in La Ceja im Departement Antioquia in das Hochsicherheitsgefängnis von Itagüí im selben Departement zu verlegen. Als Begründung für diese Entscheidung gab die Regierung an, die Paramilitärs hätten von La Ceja aus mehrere Morde in Auftrag gegeben.

Am 19. Dezember sagte Salvatore Mancuso als erster hochrangiger Paramilitär vor dem Gremium für Frieden und Gerechtigkeit der Generalstaatsanwaltschaft aus. Diese Stelle war auf der Grundlage des Gesetzes für Gerechtigkeit und Frieden eingerichtet worden, um Menschenrechtsverstöße jener Personen zu untersuchen, die unter anderem durch Aussagen über ihre Taten von den im Rahmen des Gesetzes in Aussicht gestellten Strafminderungen und anderen Vergünstigungen profitieren wollten.

Verbindungen zwischen Paramilitärs und Behördenvertretern

Berichte über enge Verbindungen zwischen Paramilitärs und hochrangigen Behördenvertretern lösten Empörung aus und drohten, das Vertrauen in rechtsstaatliche Strukturen weiter zu erschüttern.

Im November legte die Bundesdisziplinarbehörde dem ehemaligen Leiter des Geheimdienstes Departamento Administración de Seguridad (DAS) zur Last, Verbindungen zu paramilitärischen Einheiten zu unterhalten. Diese Vorwürfe stützten sich auf Medienberichte vom April, in denen ein anderer DAS-Mitarbeiter erklärt hatte, der DAS habe eine Liste mit 24 Namen führender Gewerkschafter an die paramilitärische Gruppierung Bloque Norte weitergeleitet. Mehrere auf der Liste genannte Personen fielen im Berichtsjahr Mordanschlägen zum Opfer, andere wurden bedroht oder sahen sich willkürlichen strafrechtlichen Verfahren ausgesetzt.

Am 9. November stellte der Oberste Gerichtshof des Landes Haftbefehle gegen drei Kongressabgeordnete aus dem Departement Sucre – Alvaro García Romero, Jairo Merlano und Erik Morris Taboada – aus, weil ihnen Verbindungen zu paramilitärischen Einheiten zur Last gelegt wurden. Gegen Alvaro García Romero erhoben die Behörden zudem den Vorwurf, im Jahr 2000 ein Massaker von Paramilitärs an 15 Kleinbauern in Macayepo im Departement Bolívar angeordnet zu haben. Im Verlauf des November stellte der Oberste Gerichtshof sechs weitere Kongressabgeordnete wegen mutmaßlicher Verbindungen zu Paramilitärs unter Anklage.

Im November hieß es in Presseberichten, die Generalstaatsanwaltschaft prüfe mehr als 100 Fälle mutmaßlicher geheimer Absprachen zwischen Paramilitärs und Staatsbediensteten, darunter Politiker, Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung und der Justizbehörden sowie der Sicherheitskräfte. Ebenfalls im November gab die für Disziplinarverfahren zuständige Bundesbehörde die Einrichtung einer Sonderabteilung bekannt, um vermeintliche Verbindungen zwischen Staatsbeamten und paramilitärischen Gruppen zu untersuchen.

Nach wie vor begingen Paramilitärs in geheimer Absprache oder mit stillschweigender Duldung der Sicherheitskräfte schwere Menschenrechtsverletzungen.

Am 4. Februar wurde in der Nähe einer Polizeiwache im Verwaltungsbezirk Saravena des Departements Arauca der Gemeindesprecher Alirio Sepúlveda Jaimes erschossen. Der Täter, bei dem es sich um einen Paramilitär gehandelt haben soll, unterhielt dem Vernehmen nach Verbindungen zum lokalen Armeebataillon. Das Opfer gehörte zu einer Gruppe von rund 40 sozial engagierten Bürgern und Menschenrechtsverteidigern, die 2002 von den Behörden in Saravena festgenommen worden waren.

Exhumierungen von Massengräbern

In über 80 Massengräbern wurden im Berichtsjahr die sterblichen Überreste von rund 200 Personen gefunden, die im Zuge des bewaffneten Konflikts von paramilitärischen Einheiten getötet worden waren. Laut Angaben des Gremiums für Gerechtigkeit und Frieden der Generalstaatsanwaltschaft waren die sterblichen Überreste von rund 3000 »Verschwundenen« noch nicht gefunden worden. Schätzungen gingen allerdings davon aus, dass noch weit mehr Menschen, die als »verschwunden« galten, in Massengräbern verscharrt worden waren. Es wurden Befürchtungen geäußert, dass die mangelnde Sorgfalt bei den Exhumierungen die forensische Beweisaufnahme gefährden könnte. Zudem hieß es, die Behörden würden die Leichen nicht angemessen aufbewahren. Bemängelt wurde überdies, dass die Identifizierungsquote der aufgefundenen Toten nicht sehr hoch und die rechtsmedizinischen Untersuchungen nicht effizient gewesen seien. So sollen Paramilitärs aus einigen Massengräbern Leichenteile entfernt haben.

Straffreiheit

Nach wie vor stellte die Straflosigkeit ein ernstes Problem in Kolumbien dar. Weiterhin beanspruchte auch die Militärjustiz die Zuständigkeit für Ermittlungen und Gerichtsverfahren gegen Angehörige der Sicherheitskräfte, denen Menschenrechtsverletzungen angelastet wurden. Damit setzte sie sich über eine Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von 1997 hinweg, der die Ermittlungen in derartigen Fällen an die zivilen Justizbehörden verwiesen hatte. Tatsächlich wurden im Berichtszeitraum einige dieser Fälle an zivile Gerichte übertragen. Dazu gehörte die Ermordung von zehn Angehörigen der Kriminalpolizei (Dirección de Policía Judicial e Investigación – DIJIN), eines Polizeiinformanten und eines Zivilisten, die am 22. Mai in Jamundí im Departement Valle del Cauca von Soldaten getötet worden waren. Die Generalstaatsanwaltschaft stellte 15 Angehörige der Armee wegen ihrer mutmaßlichen Beteiligung an den Tötungen unter Anklage. Berichten zufolge hatten Drogenhändler mit Beziehungen zu paramilitärischen Gruppierungen die Morde in Auftrag gegeben. Die mit dem Fall betrauten Ermittler der Justizbehörden sollen Drohungen erhalten haben.

Der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte fällte im Berichtsjahr Urteile in zwei exemplarischen Fällen von Straflosigkeit, welche Massaker durch paramilitärische Gruppierungen betrafen, die in geheimer Absprache oder mit stillschweigender Duldung der Sicherheitskräfte stattgefunden haben sollen. Im ersten Fall ging es um das Massaker von Pueblo Bello aus dem Jahr 1990, bei dem 43 Zivilisten getötet worden beziehungsweise dem »Verschwindenlassen« zum Opfer gefallen waren. Der zweite Fall betraf die Massaker von La Granja und El Aro aus den Jahren 1996 beziehungsweise 1997, die insgesamt 19 Menschen das Leben gekostet hatten. In beiden Fällen sah der Gerichtshof eine Teilverantwortung des kolumbianischen Staates als erwiesen an und ordnete Entschädigungszahlungen an die Opfer und ihre Familien an.

Die Sicherheitskräfte

Unvermindert häufig wurden Sicherheitskräften extralegale Morde angelastet.

Am 19. September sollen im Verwaltungsbezirk Morales des Departements Bolívar Soldaten Alejandro Uribe Chacón getötet haben, der sich in sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen engagierte.

Am 14. April wurde Berichten zufolge im Verwaltungsbezirk Argelia im Departement Antioquia der Kleinbauer Adrián Cárdenas Marín von Soldaten festgenommen. Am 15. April gab die Armee bekannt, er sei unweit der Stadt Argelia bei Kampfhandlungen getötet worden.

Die kolumbianischen Medien griffen mehrere Fälle auf, in denen der Armee Menschenrechtsverletzungen zur Last gelegt wurden.

Am 25. Januar mussten 21 Soldaten in einem Militärschulungszentrum in Piedras im Departement Tolima im Rahmen eines Initiationsritus Folterungen von Vorgesetzten, darunter sexuelle Erniedrigungen, über sich ergehen lassen. Ende 2006 liefen noch Ermittlungen der Zivilbehörden in diesem Fall.

Die Bundesdisziplinarbehörde leitete Ermittlungen wegen der mutmaßlichen Beteiligung von Armeeangehörigen an mehreren Bombenanschlägen in Bogotá vom Juli und August ein. Unter anderem untersuchte die Behörde die Detonation einer Autobombe, bei der am 31. Juli ein Zivilist getötet und 19 weitere verletzt worden waren. Offizielle Stellen hatten den Anschlag der FARC zur Last gelegt.

Die Sicherheitskräfte, darunter Angehörige der polizeilichen Sondereinheit Escuadrón Móvil Antidisturbios (ESMAD), sollen am 15. und 16. Mai bei Massenprotesten von Kleinbauern und afrikanischstämmigen sowie indigenen Demonstranten in den Departements Cauca und Nariño mit exzessiver Gewalt vorgegangen sein. Mindestens ein Demonstrant kam dabei ums Leben, 50 Personen erlitten Verletzungen, darunter mehrere Angehörige der Sicherheitskräfte und ein zwölfjähriges Kind.

Am 8. März verletzten ESMAD-Angehörige Angaben zufolge an der Nationaluniversität Bogotá mehrere Menschen, als sie eine Studentendemonstration auflösten. Während der Protestkundgebung warfen die Hochschüler Steine auf Polizisten. Der Student Oscar Leonardo Salas erlag am 9. März einer Kopfverletzung, die ihm offenbar durch einen Schuss der ESMAD zugefügt worden war.

Bewaffnete Oppositionsgruppen

Die beiden bewaffneten Oppositionsgruppen FARC und ELN waren auch im Berichtszeitraum wiederholt für schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich, darunter Geiselnahmen und Tötungen von Zivilisten.

Am 9. Oktober fand man die Leichen von vier Kleinbauern, die ELN-Mitglieder im Verwaltungsbezirk Fortul des Departements Arauca entführt hatten. Zwischen März und August sollen FARC und ELN im Departement Arauca mehr als 20 Zivilisten getötet haben.

Am 27. Februar töteten nach vorliegenden Informationen FARC-Mitglieder im Verwaltungsbezirk Rivera im Departement Huila mindestens acht Stadtratsmitglieder, die gerade an einer Sitzung teilnahmen.

Am 25. Februar verübten FARC-Kämpfer dem Vernehmen nach im Departement Caquetá einen Anschlag auf einen Bus, bei dem zwei Kinder und sieben weitere Zivilpersonen starben.

FARC-Einheiten setzten zudem bei Anschlägen unverhältnismäßig und wahllos Gewalt ein, wodurch zahlreiche Zivilisten ums Leben kamen.

Am 6. März wurden bei einem Sprengstoffanschlag im Verwaltungsbezirk San Vicente del Caguán im Departement Caquetá drei Zivilpersonen getötet, darunter eine 76-jährige Frau und ein achtjähriger Junge. Die Regierung schrieb den Anschlag der FARC zu.

FARC und ELN rekrutierten weiterhin Minderjährige als Kämpfer für ihre Truppen. Durch von Guerillagruppen gelegte Landminen wurden nach wie vor Zivilpersonen getötet und verstümmelt.

Am 2. August töteten mutmaßlich von der FARC gelegte Landminen im Verwaltungsbezirk La Macarena des Departements Meta fünf Polizisten und sechs Zivilisten, die für ein Regierungsprogramm zur Eindämmung des Koka-Anbaus arbeiteten.

Gewerkschafter, Menschenrechtsverteidiger und andere sozial engagierte Bürger

Menschenrechtsverteidiger und andere, die sich für soziale Belange und die Rechte ihrer Gemeinschaften einsetzen, waren in Kolumbien nach wie vor gefährdet. Die größte Gefahr ging zwar von paramilitärischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften aus, aber auch Guerillaeinheiten waren für Menschenrechtsverstöße verantwortlich. Im Berichtsjahr wurden in Kolumbien allein mehr als 70 Gewerkschafter getötet.

Im September sollen FARC-Mitglieder Fabián Trellez Moreno, einen Gemeindesprecher und Delegierten des Kommunalrats von Boca de Bebará im Verwaltungsbezirk Medio Atrato des Departements Chocó, gefoltert und getötet haben.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen erhielten im Mai Gewerkschafter, Mitglieder linksgerichteter Parteien, Angehörige regierungsunabhängiger Menschenrechts- und Friedensorganisationen sowie Studenten und andere Personen Morddrohungen per E-Mail, deren Urheber vermeintlich neue paramilitärische Strukturen waren.

Am 2. Januar fand man im Verwaltungsbezirk Puerto Wilches des Departements Santander den Leichnam des Gewerkschafters Carlos Arciniegas Niño. Er hatte seit dem 30. Dezember 2005 als vermisst gegolten. Sein Körper wies nach vorliegenden Informationen Folterspuren auf. Das Verbrechen wurde der paramilitärischen Gruppe Bloque Central Bolívar (BCB) zugeschrieben. Am 31. August sandte die BCB Berichten zufolge eine schriftliche Morddrohung an den Gewerkschaftsverband Central Unitaria de Trabajadores (CUT) in Bucaramanga im Departement Santander. Die Gruppe hätte eigentlich spätestens seit dem 1. März im Zuge der Demobilisierung nicht mehr aktiv sein dürfen.

Gefahr für die Zivilbevölkerung

Angehörige indigener Gemeinschaften, Kleinbauern, Afro-Kolumbianer und Bewohner der umkämpften Konfliktzonen waren besonders gefährdet, Opfer von Angriffen der verschiedenen Konfliktparteien zu werden. In der ersten Jahreshälfte wurden über 770 Zivilpersonen getötet oder fielen dem »Verschwindenlassen« zum Opfer. Mehr als 219000 Menschen mussten im Berichtsjahr ihre Heimatorte verlassen, während die Zahl der im Vorjahr Vertriebenen bei 310000 gelegen hatte. In der ersten Jahreshälfte wurden zudem mehr als 45 Angehörige indigener Gemeinschaften getötet.

Am 9. August töteten Unbekannte im Verwaltungsbezirk Barbacoas des Departements Nariño fünf Angehörige der indigenen Gemeinschaft der A’wa.

Am 5. beziehungsweise 6. März töteten dem Vernehmen nach FARC-Mitglieder Juan Ramírez Villamizar, den ehemaligen indigenen Gouverneur des Indigenengebiets (resguardo) Makaguán de Caño Claro im Departement Arauca, sowie dessen Ehefrau Luz Miriam Farías, eine Lehrerin in der Schule des Indigenengebiets.

Bewohner sogenannter »Friedensgemeinden« und »humanitärer Zonen« sowie anderer Gemeinschaften, die öffentlich auf ihrem Recht beharrten, nicht in den Konflikt hineingezogen zu werden, wurden im Berichtsjahr erneut bedroht oder getötet.

Am 16. August sollen Paramilitärs in der Uferregion des Flusses Curvaradó im Departement Chocó die Bevölkerung gewarnt haben, Paramilitärs planten die Ermordung von Enrique Petro, eines Bewohners der afro-kolumbianischen »humanitären Zone« Curvaradó. Im März hatten Angehörige der Streitkräfte ihm vorgeworfen, Verbindungen zu Guerillagruppen zu unterhalten. Die Paramilitärs erklärten außerdem, weitere Bewohner der »humanitären Zone« Curvaradó töten zu wollen.

Am 15. August musste in Tierra Alta im Departement Córdoba ein Familienmitglied den Leichnam von Nelly Johana Durango identifizieren. Augenzeugenberichten zufolge war die Frau am 4. März von Soldaten aus dem Haus ihrer Familie verschleppt worden. Die Armee gab hingegen an, sie sei ein Mitglied der Guerilla gewesen und »im Kampf« getötet worden. Seit 1997 sind über 160 Bewohner von »Friedensgemeinden« ermordet worden – die Mehrzahl durch die Hand von paramilitärischen Gruppierungen oder Angehörigen der Sicherheitskräfte, einige aber auch von Guerillaeinheiten.

Entführungen

Die Zahl der Entführungen nahm erneut ab, von 800 im Vorjahr auf 687 im Berichtszeitraum. Bewaffnete Oppositionsgruppen, vornehmlich die FARC, waren für etwa 200 und damit für die meisten der im Kontext des bewaffneten Konflikts verübten Entführungen verantwortlich. Paramilitärs sollen zehn Menschen verschleppt haben. 267 Entführungen wurden gewöhnlichen Straftätern zugeschrieben, während in etwa 200 Fällen die Verantwortlichen nicht ausgemacht werden konnten.

Am 26. Juni soll die FARC Camilo Mejía Restrepo, seine Ehefrau Rosario Restrepo, den Sohn des Ehepaars und einen Neffen im Departement Antioquia entführt haben. Berichten zufolge töteten die Entführer Camilo Mejía auf der Flucht vor den Behörden und verletzten seinen Neffen.

Am 7. Juni verschleppte die ELN Javier Francisco Castro im Verwaltungsbezirk Yondó des Departements Antioquia. Sie warf ihm offenbar vor, Verbindungen zu den Sicherheitskräften zu unterhalten. Bis Ende des Berichtsjahrs fehlte noch jede Spur von ihm.

Am 27. April töteten Unbekannte in Dosquebradas im Departement Risaralda die Schwester des früheren Staatspräsidenten César Gaviria Trujillo, Liliana Gaviria Trujillo, und ihren Leibwächter Fernando Vélez Rengifo. Bei der Tat soll es sich um einen gescheiterten Entführungsversuch gehandelt haben. Nach Darstellung der Behörden hatte die FARC die Entführung angeordnet.

Gewalt gegen Frauen

Angehörige aller Konfliktparteien waren im Berichtsjahr erneut für Drohungen, Entführungen, sexuellen Missbrauch und Tötungen von Frauen und Mädchen verantwortlich.

Am 22. Oktober sollen zehn Soldaten in das Haus einer Frau im Verwaltungsbezirk Puerto Lleras des Departements Meta eingedrungen sein. Berichten zufolge vergewaltigten vier der Soldaten die Frau anschließend vor den Augen ihres dreijährigen Sohnes. Nachdem sie die Vergewaltigung bei den Behörden zur Anzeige gebracht hatte, wurde das Opfer Berichten zufolge bedroht.

Am 9. April wurde nach vorliegenden Meldungen im Verwaltungsbezirk Fortul des Departements Arauca eine Frau von Guerillakämpfern vergewaltigt.

In der Stadt Barrancabermeja im Departement Santander vergewaltigten und töteten Paramilitärs am 21. März Yamile Agudelo Peñaloza, die der Frauenrechtsorganisation Organización Femenina Popular angehörte. Ihr Leichnam wurde am folgenden Tag gefunden.

US-Militärhilfe

Die Kolumbien von den USA gewährte finanzielle Unterstützung belief sich im Berichtszeitraum auf schätzungsweise 728 Millionen US-Dollar, wovon 80 Prozent auf Militärhilfe und Unterstützung der Polizei entfielen. Im Juni hielt der US-Kongress die Zahlung von 29 Millionen US-Dollar mit der Begründung zurück, die Regierung in Washington habe sich nicht angemessen mit dem Kongress über das Verfahren abgestimmt, nach dem 25 Prozent der US-Hilfe an Bedingungen im Hinblick auf Fortschritte der kolumbianischen Regierung und der Behörden der einzelnen Departements auf dem Gebiet der Menschenrechte geknüpft waren. Trotz dieser Entscheidung des Kongresses gab das US-Außenministerium die Gelder frei. Das Außenministerium willigte jedoch ein, mit Kongressabgeordneten und Vertretern von Menschenrechtsorganisationen in den USA Gespräche über den Konsultationsprozess bei der Zuteilung der Finanzhilfe und über etwaige Verbesserungsvorschläge zu führen. Mit rund 17 Millionen US-Dollar wurde der Demobilisierungsprozess paramilitärischer Gruppen in Kolumbien unterstützt, davon flossen fünf Millionen US-Dollar an das Gremium für Frieden und Gerechtigkeit der Generalstaatsanwaltschaft. Die US-Finanzhilfe war wie bisher an Bedingungen im Hinblick auf die Menschenrechte in Kolumbien geknüpft.

Das Kolumbien-Büro der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte

Obwohl in Berichten von Bestrebungen der Regierung die Rede war, das Mandat des Kolumbien-Büros der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte (UNHCHR) einzuschränken, vor allem im Hinblick auf dessen Beobachterrolle, gaben die kolumbianische Regierung und das UNHCHR im September bekannt, das bestehende Mandat des Büros werde um weitere zwölf Monate verlängert. In dem jüngsten im Januar veröffentlichten Bericht des UNHCHR über Kolumbien, wurde die Regierung aufgefordert, die Empfehlungen der Vereinten Nationen bezüglich der Menschenrechte umzusetzen und den seit langem zugesagten Aktionsplan für Menschenrechte anzunehmen sowie den Schutz für Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien zu verbessern. Das UNHCHR richtete sich zudem an alle Konfliktparteien mit der Forderung, das Recht auf Leben zu respektieren und von willkürlichen und wahllosen Angriffen, Entführungen, der Rekrutierung von Kindersoldaten und sexueller Gewalt Abstand zu nehmen. Der Bericht empfahl außerdem, die rechtlichen Bestimmungen über die Demobilisierung illegaler bewaffneter Gruppen an Menschenrechtsstandards anzupassen und dabei unter anderem das Recht der Opfer auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Entschädigung zu wahren. Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte stellte den Bericht bei der zweiten regulären Sitzung des neu geschaffenen UN-Menschenrechtsrats am 28. September vor.

Berichte und Missionen von amnesty international

Berichte

Colombia: Reporting, campaigning and serving without fear: The rights of journalists, election candidates and elected officials (ai-Index: AMR 23/001/2006)

Colombia: Open letter to the presidential candidates (ai-Index: AMR 23/013/2006)

Colombia: Fear and intimidation: The dangers of human rights work (ai-Index: AMR 23/033/2006)

Missionen

Vertreter von amnesty international reisten im Februar, März und Oktober nach Kolumbien.

 

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  • : Biographisches und andere Geschichten
  • : Es geht um das Leben einer Mutter aus den Slums. Erlebtes in Südamerika und hier. Um Gedanken und Gefühle. Um Wut und Liebe - kurz - es geht um das Leben.
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